(März 2022) Profile und Rohre aus Stahl werden überwiegend durch Rollformen hergestellt. Der geringe Energiebedarf des Verfahrens, die hundertprozentige Recyclingfähigkeit des Materials und die insgesamt geringen CO2-Emissionen machen die Produkte besonders nachhaltig und umweltschonend. Die Details erläutert André Langer, Werksleiter der Husemann & Hücking Profile GmbH.
Die CO2-Bilanz ist eines der zentralen Themen in puncto Klimaschutz, an welchen Unternehmen schon heute gemessen werden. Was bedeutet das für Sie als Hersteller von Spezialprofilen und Rohren?
Die Vermeidung oder Reduktion von CO 2 -Emissionen beginnt natürlich immer bei den Rohstoffen und deren Weiterverarbeitung. Insofern spielt der so genannte CO2-Fußabdruck auch bei uns als Hersteller von Halbzeugen eine große Rolle. Eine Zertifizierung wird von uns aktuell nicht direkt verlangt, das betrifft derzeit vor allem Hersteller von Endprodukten. Da wir aber mit unseren Stahlprofilen ohnehin eine hervorragende Umweltbilanz vorweisen können, sind unsere Produkte besonders nachhaltig.
Was heißt das konkret?
Stahl ist ein ausgesprochen umweltfreundliches Material: Es kann vollständig recycelt werden und steht dem Stoffkreislauf immer wieder neu zur Verfügung und zerfällt im Verwitterungsprozess schlussendlich in seine chemischen Bestandteile. Durch seine hohe Festigkeit eignet sich Stahl auch für filigrane Strukturen, was unter anderem bei vorgehängten Fassadenkonstruktionen genutzt wird. Durch Zuschlagstoffe werden Stähle in ihren Eigenschaften optimiert, beispielsweise mit Blick auf hohe Festigkeiten, geringes Eigengewicht, gute Elastizität oder hohe Steifigkeit. Auch Edelstahl oder Cortenstahl sind solche Spezialvarianten. Und mit dem Produktionsverfahren Rollformen können aus Bändern und Blechen Spezialprofile und Rohre schon heute theoretisch CO2-neutral hergestellt werden.
Was meinen Sie mit theoretisch CO2-neutral?
Wir fertigen unsere Produkte aus Warmband und bandverzinktem Spaltband mit präzise eingestellten Güteeigenschaften. Diese Vorprodukte beziehen wir vorwiegend aus europäischen Stahlwerken, die bereits aktiv an ihrem CO2-Ausstoß arbeiten. Die meisten nutzen das Elektrostahlverfahren, bei dem ein hoher Anteil Stahlschrott verarbeitet wird. Auch wird an Verfahren für so genannten Green Steel geforscht, um die Stahlerzeugung mittels erneuerbarer Energien und der Wasserstoffsynthese CO2-neutral zu machen. Rollformen ist ein Kaltwalzverfahren. Das heißt, der Energieeinsatz für den Umformprozess ist äußerst gering. Das Ausgangsmaterial wird nicht erwärmt und Bewegungsenergie benötigen lediglich die Werkzeuge, bestimmte Maschinenteile und die zu verformenden Stahlbänder inklusive einer gewissen Reibungsenergie. In Summe ergeben sich dadurch sehr geringe CO2-Emissionen.
Können Sie das etwas genauer benennen?
Die reine Herstellung von einer Tonne Aluminium verursacht etwa acht bis zehn Tonnen CO2. Bei Stahl sind es dagegen weniger als zwei Tonnen CO2. Auch hinterlassen der Abbau von Bauxit und in der Folge die Aluminiumgewinnung große Umweltschäden und die Recyclingfähigkeit ist deutlich geringer. Stahl hingegen ist unendlich zu hundert Prozent recycelbar und kann immer wieder in unterschiedliche Materialgüten gewandelt werden. Das enorme Güten-Spektrum verschafft dabei auch unter dem Aspekt Leichtbau eine hohe Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Werkstoffen.
Glauben Sie, dass Stahlprofile demnächst die Aluminiumprofile mehr und mehr verdrängen werden?
Nein, das glaube ich nicht, wenngleich ich mir Stahlprofile oft als Substitut für Alu wünschen würde. Je nach Einsatzzweck hat jedes Material seine Berechtigung. Aber sicherlich wird man in Zukunft etwas genauer hinsehen, welches Material für welche Anwendung besonders geeignet ist. Vor allem unter klima- und umweltfreundlichen Aspekten ist insbesondere die Nachhaltigkeit der Produkte zu betrachten. Aluminiumprofile nehmen seit einigen Jahrzehnten unter anderem im Baugewerbe eine wichtige Position ein, was besonders dem geringen Materialgewicht, der guten Verarbeitbarkeit und der Korrosionsbeständigkeit zu verdanken ist. Stahl hat aber unbedingt eine Renaissance verdient.
Vielleicht haben Sie für uns ein paar Beispiele, wo Stahlprofile die Nase vorn haben?
Ein gutes Beispiel ist unser Hochwasser-Gebäudeschutz WP -Wasto. Das Profilsystem ist einzigartig filigran und so leicht, dass es von einer einzelnen Person gehandhabt werden kann. Die Systemlamellen halten dennoch Wasserdrücken von 500 bis 600 kg/m2 stand. Auch denke ich dabei zum Beispiel an Stahltüren. Ob für Brandschutz, Objektschutz oder stark frequentierte Gebäudeöffnungen - es gibt nichts Stabileres als Stahl. Rollgeformte Stahlprofile sind in vielen Bereichen unverzichtbar, beispielsweise für Brückengeländer, beim Fahrzeugbau von LKW oder Bussen, für abgehängte Deckensysteme, in der Klima- und Lüftungstechnik oder für Montagestraßen in der Industrie.
Was wäre Ihrer Meinung nach nötig, damit Stahlprodukte mehr Einsatz finden?
Die Europäische Kommission hat 2020 eine Rechtsetzungsinitiative auf den Weg gebracht, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Es geht vor allem um die Dekarbonisierung der Produkte und kontinuierliche Stoffkreisläufe. Rollgeformte Stahlprofile leisten einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung dieser Ziele. Auch die fast unbegrenzten Möglichkeiten der Profilausgestaltung inklusive der weiteren Anarbeitungsschritte wie Lochungen, Prägungen, Gehrungsschnitte können heute in einer vollintegrierten Produktion ressourcenschonend gefertigt werden. Rollprofilierer können das, auch absolut kundenspezifisch. Ich plädiere für Stahl, weil es zum Beispiel den Bausektor nachhaltiger und damit umweltfreundlicher machen würde.
Was würde darüber hinaus helfen?
Politik sollte sich nicht nur mit Vorgaben beschäftigen, sondern auch ihre eigenen Vergaberichtlinien, beispielsweise bei kommunalen Projekten, überdenken. Wir brauchen in puncto Materialauswahl Leuchtturmprojekte, die mit einer gewissen Vorbildfunktion ein Umdenken in der Praxis einleiten. Natürlich müssen wir auch als Hersteller verstärkt Aufklärung betreiben und Architekten, Konstrukteure, Planer und Entscheider aller Branchen von Anbeginn auf die vielfältigen Möglichkeiten sowie die positive Ökobilanz von rollgeformten Stahlprofilen hinweisen. Auch für Metallbauer können sich damit neue Blickwinkel und Lösungen ergeben.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie konkret für Ihr Unternehmen daraus?
Wir bieten bereits ein attraktives Portfolio an rollgeformten Standardprofilen an, das lagermäßig zur Verfügung steht und für und mit unseren Kunden entwickeln wir fortlaufend individuelle Lösungen. Darüber hinaus wollen wir immer nachhaltiger werden und setzen uns deshalb für eine Reduzierung von Oberflächenschutzaufträgen ein. Denn auch das belastet die Umwelt. Aus diesem Grund haben wir 2019 unsere bewährte Produktlinie WP-Profile zusätzlich um die Materialien Edelstahl und Cortenstahl erweitert. Mit der Marke Sequoiasteel sind wir in Europa der einzige Produzent mit einer Lagerhaltung für Anschlagrohre und diverse Quadrat- und Rechteckrohre aus wetterfestem Corten. Das ist für den Verarbeiter unter anderem deshalb interessant, weil Oberflächen nicht mehr bearbeitet werden müssen. Wir finden das besonders umweltschonend und werden das Programm zügig erweitern.