Profilsysteme: Materialknappheit und die Frage nach Energiebeschaffung beschäftigen auch das Systemhaus Schüco-International. Warum er aber dennoch Wachstumspotenzial für die Baubranche sieht und welche Entwicklungen sein Unternehmen für das Metallhandwerk bereit hält, erläutert Schüco-Chef Andreas Engelhardt im Interview mit M&T.
Herr Engelhardt, das Jahr 2021 war für Schüco ein sehr erfolgreiches. Welche wirtschaftliche Entwicklung sehen Sie für 2022 in Ihrem Unternehmen vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges, der Energiekrise und der Materialknappheit?
Auch in Zeiten von Versorgungsengpässen und instabilen Lieferketten sehen wir Wachstumspotenzial für die Baubranche. Energetische Verbesserungen von Bestandsgebäuden nehmen beispielsweise heute mehr denn je einen signifikanten Stellenwert ein. Gebäudesanierungen müssen mit hoher Priorität angegangen werden, gerade auch im Hinblick auf den sich nun abzeichnenden Erdgasmangel in Deutschland. Da erweisen sich Schüco-Produkte auch als Teil der Lösung, denn wir bieten Passivhaus-zertifizierte Systeme sowie smarte Lüftungs- und Automationslösungen. Mögliche Engpässe in der Gasversorgung werden Einflüsse auf unser Geschäft haben, wie stark, das wissen wir nicht. Je länger der russische Angriffskrieg in der Ukraine anhält, desto schwieriger ist die Lage einzuschätzen. Aktuell steuern wir mit Augenmaß und folgen einer absoluten Kostendisziplin mit wohlüberlegten Investitionen und klarem Fokus auf die Bedürfnisse unserer Kunden und des Marktes.
Welchen Herausforderungen steht Schüco insbesondere bei der Materialbeschaffung gegenüber?
Solange die globalen Lieferketten gestört bleiben, stehen wir in der Materialbeschaffung vor den gleichen Herausforderungen wie alle anderen Unternehmen auch. Wir haben aus den Erfahrungen der letzten Monate gelernt und weitere Rohstoffmengen gesichert, um lieferfähig zu bleiben. Sollten unsere Zulieferer ihren Gasverbrauch im Winter einschränken müssen, können in bestimmten Bereichen auch wieder Lieferverzögerungen auftreten. Das sind allerdings sehr kurzfristige Probleme, die auf die aktuellen globalen Herausforderungen zurückzuführen sind. Langfristig sehe ich uns sehr gut aufgestellt. Wir arbeiten aktiv an Lösungen, um dem wachsenden Ressourcenbedarf zu begegnen. Basierend auf der Idee, dass Gebäude wertvolle Rohstoffdepots der Zukunft sind, treiben wir mit unseren kreislauffähigen Produkten und unserem Engagement in Recyclinginitiativen eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in der Baubranche voran.
Welche Maßnahmen können Metallbauer ergreifen, um an Material zu kommen?
Kurzfristig gibt es keine Patentlösung. Solange die Lieferketten gestört bleiben, ist in vielen Fällen leider Geduld gefragt. Mittelfristig hilft es sicherlich, langfristig zu planen. Je früher ein Auftrag abgegeben werden kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Material zum gewünschten Zeitpunkt vor Ort ist. In der aktuellen Lage müssen wir uns alle in Geduld üben, von den Lieferkettenstörungen bleibt leider niemand verschont.
Im Frühjahr 2022 haben Sie das Welcome-Forum am Bielefelder Standort eröffnet. Wer kommt dorthin und warum?
Das Schüco-Welcome-Forum ist erste Anlaufstelle für unsere Gäste. Dort treffen sich Architekten und Verarbeiter, Investoren und Bauherren sowie Schüco-Mitarbeitende. Durch ein zentrales Foyer gelangen die Gäste in den Showroom-Product, den Showroom-Fabrication, in das Café, den Newsroom oder in Besprechungs- und Workshopräume. Für Metallbauer ist neben dem Showroom-Product insbesondere der Showroom-Fabrication interessant, denn dort können sie insgesamt 30 Maschinen von klein bis groß auf 2.000 Quadratmetern in Aktion erleben und damit eine genaue Vorstellung davon bekommen, wie die Maschinen funktionieren und wie sie räumlich in die eigene Werkstatt passen. Im Showroom-Fabrication präsentieren wir auch die in Kooperation mit der Kuka AG entstandene Roboterzelle RX-Load-500. Sie be- und entlädt unser Schüco-Bearbeitungszentrum.
Im Sommer haben Sie mit dem Schüco-One auf dem Schüco-Campus das einzige Bürogebäude der Welt mit allen drei Nachhaltigkeitszertifizierungen eröffnet. Warum gleich drei?
Wir wollen Vorreiter für wirksame Nachhaltigkeit in der Baubranche sein. Um ein sichtbares Zeichen zu setzen, ist es unser Ziel, mit unserer Unternehmenszentrale Schüco-One Zertifizierungen jeweils in den höchsten Kategorien nach DGNB, LEED und BREEAM zu erreichen. Dieses Ziel stand von Anfang an fest, beeinflusste den Entwurf des Gebäudes und die Schüco-Materialien, die zum Einsatz kamen. So ist die durch das Schüco-Engineering nach Entwürfen von 3XN maßgeschneiderte Fassadenkonstruktion der Hauptfassade entstanden. Sie liegt über dem Erdgeschoss, erstreckt sich über sechs Geschosse und erinnert an eine Ziehharmonika. Diese Struktur erzeugt einen spannenden visuellen Effekt und verhindert, dass sich die Innenräume über Gebühr aufheizen. Zum Einsatz kam eine Schüco-Sonderkonstruktion mit 90 Millimeter Bautiefe. Wir zeigen mit dem Schüco-One und auf dem gesamten Schüco-Campus unsere Produkte in der Anwendung – aber auch, dass die Bauwirtschaft Verantwortung übernimmt und viele geeignete Lösungen hat, um das europäische Klimaschutzziel zu erreichen.
Schüco ist in diesem Jahr eine Partnerschaft mit Dormakaba eingegangen, einem der weltweit führenden Unternehmen für Zugangslösungen. Welche Strategie verfolgen Sie damit?
Mit Dormakaba haben wir einen weiteren globalen Experten an unserer Seite. Zusammen haben wir das Ziel, technische Expertise und Synergien in der Entwicklung von designorientierten und intelligenten Türsystemen zu vereinen. Wir haben im ersten Schritt ein türintegriertes Zutrittsmanagementsystem entwickelt, das im privaten Wohnbereich und im Objektbereich eingesetzt werden kann. Zudem vernetzen wir "EntriWorX" – die digitale Plattform für Türlösungen von Dormakaba – und unser Konfigurations- und Kalkulationssystem "SchüCal" intelligent miteinander. Für Metallbauer entsteht dadurch ein echter Mehrwert. Über eine Schnittstelle erhalten SchüCal-Nutzer Zugang zum Know-How der integrierten Planung von Türlösungen. Unsere Kooperation steht noch ganz am Anfang, aber die ersten Entwicklungsergebnisse haben wir bereits auf der Light + Building im Oktober 2022 gezeigt. Auch im April 2023 auf der BAU zeigen wir gemeinsame Lösungen.
