"Transformation ist nicht nur ein Schlagwort. Beim genauen Hinsehen wird es für unsere Betriebe schnell sehr konkret, denn wir müssen uns zukunftsfähig aufstellen", beschreibt Willi Seiger (rechts) als BVM-Präsident im Gespräch mit M&T-Chefredakteur John Siehoff eine der Kernherausforderungen der Branche. (Quelle: M&T)

Interviews mit Branchenpartnern 1. March 2023 "Als Unternehmerverband verbindet uns das kollegiale Miteinander"

Berufsorganisation: Der Feinwerkmechanik-Unternehmer Willi Seiger ist der neue Präsident des Bundesverbandes Metall (BVM). Wie er die Wirtschaftslage und Herausforderungen für das Metallhandwerk einschätzt und was seine Pläne und die Schwerpunkte für seine Amtszeit als Präsident sind, erläutert er hier im Interview.

"Unsere Angebote sollen die Zukunft der Metallbetriebe mit sichern."

Willi Seiger

"Ich wünsche mir den offenen Austausch und das konstruktive Miteinander und fordere alle auf, den Weg in die Zukunft gemeinsam mit mir zu gehen, mit Engagement und Spaß an der Arbeit", bietet der neue BVM-Präsident Willi Seiger an. (Quelle: M&T)

Wie sieht momentan die Konjunktursituation im Metallhandwerks aus und wie sind die Aussichten? 

Das Metallhandwerk steht vor einem sehr schwierigen Jahr. Nur jedes siebte Unternehmen blickt optimistisch ins neue Jahr. Auf der einen Seiten steigen die Preise für Energie, Material und Vorleistungen weiter an und belasten die Ertragskraft der Unternehmen. Auf der anderen Seite sorgt ein sich verschärfender Wettbewerb auf den Absatzmärkten für deutlich beschränkte Möglichkeiten diese an die Kunden weiterzugeben. Die Reichweiten der Aufträge sind gegenüber dem Vorjahr deutlich eingebrochen. Insbesondere die feinwerkmechanischen Unternehmen befinden sich aktuell in einem sich verschärfenden Preiswettbewerb.

Das Metallhandwerk steht vor großen Herausforderungen. Was sind für die Betriebe im Jahr 2023 voraussichtlich die größten? 

Der Fachkräftebedarf stellt für über achtzig Prozent der Metallbetriebe sicherlich weiterhin eine zentrale Herausforderung dar. Nachlassende Baukonjunktur, Zinsentwicklung und Inflation setzen den baunahen Metallbau momentan enorm unter Druck. Ein Viertel der Metallbauer klagt über Auftragsmangel, eine Situation, die es im Grunde seit zehn Jahren nicht mehr gab. Das Thema Kreditvergabe wird nach unseren Umfragen derzeit ebenso schwieriger. Hier wollen wir auf die Politik Einfluss nehmen, mit passenden Kreditprogrammen für Entlastung zu sorgen. Aus Sicht unserer tarifschließenden Landesverbände passen in dieser Lage überzogene Lohnsteigerungen nicht in die Welt. Hier ist Augenmaß gefordert.

Wo liegt derzeit der größte Bedarf für Unterstützung der Betriebe durch die Berufsorganisation? 

Einer der Schwerpunkte meiner Amtszeit als Präsident des Bundesverbanders Metall wird sein, die politischen Forderungen unserer Branche prominent zu platzieren und so unsere Betriebe zu unterstützen. Das gilt insbesondere für Themen, die speziell unserem Gewerk zusetzen. Dabei setze ich auch auf die Zusammenarbeit und die Unterstützung der Kollegen im Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und des Unternehmerverbandes des Deutschen Handwerks (UDH) in Berlin, in dessen Präsidium ich als Mitglied gewählt wurde. 
Nachwuchs- und Fachkräftebedarf belastet unsere gesamte Branche. Um hier zu unterstützen, haben wir im Metallverband ein ganzes Maßnahmenpaket entwickelt. Neben unserer aufmerksamkeitsstarken Let’s Play Metall Onlineplattform gehören dazu ganz praktische Hilfen: wir sind auf Messen dabei und unterstützen mit Aktionsmaterial genauso wie mit Schweißrobotern und spektakulären VR-Brillen, die die ganze Faszination des Metallhandwerks in 3D sichtbar machen. Wirklich sehenswert! ​Ein Schulungsprogramm für Innungen gehört ebenso dazu. Da wollen wir Berufsorientierung in den Regionen gezielt unterstützen.

Je nach Teilbranche, in der ein Metallhandwerksbetrieb tätig ist, stellen sich außerdem spezifische Herausforderungen. Welche sind dies und an welchen Lösungen arbeitet die Berufsorganisation?

Transformation ist derzeit in aller Munde. Dennoch ist es nicht nur ein Schlagwort. Beim genauen Hinsehen wird es für unsere Betriebe schnell sehr konkret, denn wir müssen uns zukunftsfähig aufstellen. Themenfelder wie Innovationsförderung, Digitalisierung (BIM - Building Information Modeling), Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft berühren uns ganz konkret. In den Fachgruppen werden diese Themen bereits behandelt. Sie sind auch Bestandteil der Normungsarbeit im Bundesverband Metall.

Mit Ihnen ist erstmals seit einer längeren Zeit ein Unternehmer aus der Feinwerktechnik Präsident des Bundesverbandes Metall. Welchen Einfluss hat das auf die Schwerpunkte, die Sie nun setzen werden? 

Wir Feinwerkmechaniker sind in aller Regel sehr speziell ausgerichtet stellen rund ein Drittel der Betriebe im Metallhandwerk. Im Bundesverband haben wir auf Fachgruppenebene, im Weiterbildungsprogramm und bei der hauptamtlichen Betreuung bereits für Verstärkung gesorgt. Ein gutes Beispiel dafür sind die Neuerungen und betrieblichen Anforderungen im Zusammenhang mit der ISO-Norm zur geometrischen Produktspezifikation. Als “Frühwarnsystem” ist es Aufgabe des Verbandes, die Betriebe rechtzeitig auf neue Entwicklungen hinzuweisen, dazu Unterstützungs- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln.

Was sind die wichtigsten Ziele, die Sie sich für Ihre Präsidentschaft setzen? 

Ein wichtiges Ziel ist, die Themen und Tätigkeiten aus der Arbeit des BVM durchgängiger und intensiver an die Mitglieder zu kommunizieren, also den Informationsfluss an die Landes-Fachverbände zur Weiterleitung an die Innungen und Obermeister zu steigern. Dadurch erhoffe ich mir eine Steigerung des „Wir“-Gefühls. So können sicher weitere Begleiter in der Organisation gefunden werden, die unseren Weg aktiv und engagiert mitgehen und positiv begleiten. Zum anderen möchte ich den Nutzen für die Betriebe durch intensivere Zusammenarbeit der Experten auf allen Ebenen in Innungen, Landesverbänden und Bundesverband stärken. Unsere Angebote sollen zur Zukunftssicherung der Metallbetriebe beitragen. Das gelingt uns am besten im „Netzwerk Metallverband“. Dabei setze ich auf die Experten im Netzwerk genauso wie auf die Möglichkeiten, die zeitgemäße digitale Plattformen heute für den Austausch bieten.

Auf welche Aufgabe freuen Sie sich im Rahmen Ihrer Präsidentschaft am meisten? 

Der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen in den Verbänden stehen für mich an erster Stelle. Aufgabe des Metallverbandes als Unternehmerverband ist es, die Gemeinschaft zu stärken und sich in der Politik Gehör zu verschaffen. Als Unternehmerverband verbindet uns das kollegiale Miteinander. Dabei kommt es nicht allein auf den Präsidenten, sondern auf alle Akteure im Verband an. Ich wünsche mir den offenen Austausch und das konstruktive Miteinander und fordere alle auf, den Weg in die Zukunft gemeinsam mit mir zu gehen, mit Engagement und Spaß an der Arbeit.

Das Metallhandwerk hat eine leistungsfähige Berufsorganisation. Was sind aus Ihrer Sicht die drei überzeugendsten Argumente für einen Betrieb, um in die Metallinnung einzutreten? 

Wir sind das Expertennetzwerk und Sprachrohr für eine der vielfältigsten Branchen. Unsere Organisation bietet einzigartige Vorteile, Leistungen, die es nur bei uns gibt und Vorteile, die nur Mitglieder genießen. Mitglieder sind eingeladen, mit Kolleginnen und Kollegen in Fachgruppen aktuelle technische Richtlinien, Fachregeln und Handlungshilfen zu behandeln und weiterzuentwickeln. Echter Mehrwert steht auch bei uns im MetallPortal bereit: Mitglieder erhalten hier zu Sonderkonditionen Fachregelwerke, zeitgemäße digitale Lösungen, die den Betrieb weiterbringen. Und wer beim Einkauf sparen möchte, tut das am besten bei Metall&mehr und holt sich so seinen Mitgliedsbeitrag zurück.

Welche Tätigkeiten üben Sie in Ihrem eigenen Unternehmen am liebsten aus? 

Meine Leidenschaft ist die permanente Weiterentwicklung und Neuentwicklungen unsere eigenen Produkte. Mit dem offenen Ohr am Markt zu sein und Bedürfnisse beim Kunden zu entdecken, die wir umsetzten können. Mitarbeiter zu motivieren diesen Weg positiv mitzugehen, egal in welchem Bereich unseres Unternehmen Sie eingesetzt werden. Der Umgang mit Menschen - egal ob Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Ehrenamt oder Hauptamt - ist mir sehr wichtig. Durch persönliche Gespräche und Informationen dazuzulernen - das treibt mich an.

Der diesjährige Metallkongress findet am 27. und 28. Oktober 2023 in Würzburg statt. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Der Metallkongress ist unser Branchentreff. Ich freue mich am meisten auf das Wiedersehen mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Netzwerk Metallverband, ein ausgesuchtes branchenspezifisches Fachprogramm – und auf die Gewinner der Metallbau- und Feinwerkmechanik-Preise. Ich würde mich freuen, wenn wir künftig auch neue Zielgruppen für den Kongress gewinnen könnten, zum Beispiel jüngere Unternehmerinnen und Unternehmer. Das würde der Veranstaltung guttun und zur Weiterentwicklung dieses einzigartigen Branchentreffs im Metallhandwerk beitragen.

zuletzt editiert am 21.02.2023