Zwei motorisch betriebene Dachausstiege verfügten als einzige Sicherheitseinrichtung über Lichtschranken. Das reichte nicht aus, wie die Risikoanalyse des Sachverständigen ergab.
Für eine Dachgeschosswohnung waren zwei flach geneigte, je zweiteilige verglaste Dachausstiege in Rahmenbauweise aus thermisch getrennten Aluminiumprofilen eingebaut worden. Die Ausstiege bestanden aus je einem motorisch betriebenen Flügelrahmen, der horizontal über das jeweilige festverglaste Rahmenfeld fuhr. Die Dachausstiege waren von der darunterliegenden Wohnung jeweils mit einer gewendelten Treppe erreichbar. Unter den Ausstiegen befand sich kein Podest. Die Ansteuerung der Antriebe erfolgte vom Innenraum über Handtaster ohne Blickkontakt zu den Ausstiegen und von außen über Codeschlösser.
Als einzige Sicherheitseinrichtungen waren Lichtschranken jeweils in horizontaler Ebene über die obersten Treppenstufen direkt unter den Dachausstiegen installiert. Die Schließkanten der Fensterflügel waren nicht gesichert. Die Motorsteuerung hatte keine Selbstabschaltung bei Gegendruck beziehungsweise Überlast. Es war keine Totmannsteuerung vorhanden.
Achten Sie auf die Sicherheitseinrichtungen
Zur Bewertung der Betriebssicherheit von motorisch betriebenen Fenstern sind folgende Normen und Richtlinien maßgeblich:
- Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MaschRL),
- DIN EN14351-1 Fenster und Türen; Produktnorm, Leistungseigenschaften; Teil 1: Fenster und Außentüren,
- DIN EN ISO 12100 Sicherheit von Maschinen; Allgemeine Gestaltungsleitsätze; Risikobeurteilung und Risikominderung,
- DIN EN IEC 60335-2-103 Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke; Teil 2-103: Besondere Anforderungen für Antriebe für Tore, Türen und Fenster,
- ift-Richtlinie FE-11/1 Nutzungssicherheit an kraftbetätigten Fenstern und Fenstertüren im Zusammenhang mit dem VFF Merkblatt KB.01.

Die BGR 232 Kraftbetätiget Fenster, Türen und Tore ist als Arbeitsschutzrichtlinie der Berufsgenossenschaft nicht anwendbar, da die Ausstiege nicht gewerblich genutzt werden.
Elektrisch angetriebene Fenster müssen nach der DIN EN14351-1, der DIN EN IEC 60335-2-103 und der MaschRL konstruiert, geprüft und gesteuert werden. Entsprechend der Nutzung der „Maschine“ ist eine Risikoanalyse vorzunehmen, die mögliche Gefahren bei der Nutzung berücksichtigt und deren planmäßige Vermeidung beziehungsweise Beseitigung vorsieht.
Antriebe für Fenster müssen so arbeiten, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass die Bewegung des Fensters eine Verletzung einer Person verursacht. Die für den Schutz gegen Risiken durch bewegliche Teile verwendeten Schutzeinrichtungen sind entsprechend der jeweiligen Risikoart zu wählen. Die DIN EN IEC 60335-2-103 beschreibt in Anlage 20 ZAA in den Abschnitten 8.1.2 und 8.2 die konkreten Prüfbedingungen.
Nehmen Sie eine Risikoanalyse vor
Nach der DIN EN ISO 12100 ist eine Drei-Stufen-Methode zur Analyse des Restrisikos anzuwenden, um die unter den Prüfbedingungen der DIN EN IEC 60335-2-103 erkannten Gefahren zur vermeiden. Für kraftbetriebene Tore liegen entsprechende normative Vorgaben für die Erstellung einer Risikoanalyse vor, für kraftbetätigte Fenster (wie im vorliegenden Fall) jedoch nicht. Daher haben das Institut für Fenstertechnik (ift) Rosenheim und der Verband Fenster und Fassade VFF die ift-Richtlinie FE-11/1 als Vorschlag für eine dementsprechende Bewertung veröffentlicht. Diese Richtlinie bietet eine Möglichkeit zur Strukturierung einer Risikoanalyse. Die Risikobeurteilung gliedert sich in die drei Bewertungsmaßstäbe:
- Einbausituation,
- Raumnutzung,
- Bedienung.
Im vorliegend Fall liegt zur Einbausituation der Risikoparameter E2 vor, zur Raumnutzung N2 und zur Bedienung S2. Damit ergibt sich aus der Matrix der Richtlinie die Schutzklasse 3.
Hier sind folgende Beispiele für Schutzmaßnahmen genannt:
- Totmannsteuerung ohne übergeordnete Zentralsteuerung oder
- Stopp der Bewegung 25 Millimeter vor der Endlage über zehn Sekunden; Auslösung eines optischen oder akustischen Signals; weitere Bewegung mit Signal bis Endlage oder
- langsame Flügelbewegung von maximal fünf Millimeter pro Sekunde oder
- Eingriffsweite kleiner als acht Millimeter oder
- gerundete, gepolsterte Kante, geringe Schließkräfte unter achtzig Newton, keine Scherwirkung.
Die geforderte Schutzmaßnahme wird durch eine der genannten Maßnahmen erreicht, die für den konkreten Einsatzfall geeignet sein muss. Dies war hier aber nicht der Fall.
Die Eignung der in Schutzklasse 3 aufgeführten Maßnahmen hat der Sachverständige folgendermaßen bewertet:
- Eine Totmannsteuerung ist aktuell nicht vorhanden, jedoch nur eingeschränkt sinnvoll, da die Dachoberlichter vom Schalter aus nicht direkt einsehbar sind.
- Ein Stopp der Bewegung 25 Millimeter vor Flügelverschluss mit Signalgeber (Hupe oder Blinkleuchte) ist im privaten Bereich nicht hinzunehmen.
- Eine langsame Flügelbewegung ist möglich, würde jedoch bei den 95 Zentimeter breiten Luken eine Fahrdauer von etwa 3,3 Minuten für Öffnen und Schließen der Öffnungsflügel und damit eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit bedeuten.
- Eine Eingriffsweite bis zu acht Millimeter ist bei einer zum Durchstieg gedachten Fensterluke nicht sicherheitsfördernd.
- Gerundete Hauptschließkanten und eine Schließkraft nicht über achtzig Newton ohne Scherwirkung sind bei Durchstiegsluken nicht sicherheitsfördernd. Die DIN EN IEC 60335-2-103 lässt nur 25 Newton Schließkraft zu.
Die Risikoanalyse nach der ift-Richtlinie ergibt damit ein Maßnahmenpaket, das unter den konkreten Nutzungsbedingungen als Dachausstiege nicht umsetzbar war. Unabhängig von dieser Untersuchung entsprach die aktuelle Ausführung weder der Risikoanalyse nach der Richtlinie noch dem Schutz nach der in der DIN EN IEC 60335-2-103 beschriebenen anzusetzenden Risikobedingungen. Daher war die vorhandene Ausführung der Schutzeinrichtungen zu bemängeln.
Schadenvermeidungstipp
Nehmen Sie eine detaillierte Risikoanalyse vor
Eine Risikoanalyse entsprechend der normativen Vorgaben muss die möglichen Gefahren bei der Nutzung der Maschine (des Automatikfensters) berücksichtigen und deren planmäßige Vermeidung beziehungsweise Beseitigung vorsehen. Bei Bauteilen, die sich nicht eindeutig einem Produkt zuordnen lassen, ist die Risikoanalyse an die Nutzungsbedingungen und örtlichen Gegebenheiten anzupassen.
Fazit: Sichern Sie zusätzlich ab
Der Sachverständige konnte aus der Risikoanalyse in Verbindung mit dem üblichen Nutzungsverhalten in einer Wohnung nur zu weiteren Schutzeinrichtungen für die Nutzungssicherheit der Dachausstiege raten. Diese war als berührungslose Einrichtung mit den Lichtschranken zwar angedacht, jedoch nicht wirklich sicherheitsfördernd ausgeführt. Die Lage der Lichtschranken direkt unter den Öffnungsflügeln und am Ausstieg bot weder Sicherheit im normativ vorgeschriebenen Bereich bis 2,5 Meter unter dem Ausstieg, noch eine Sicherheit bei der tatsächlichen Nutzung. Außerdem fehlte die Nutzungssicherheit für die in der DIN EN IEC 60335-2-103 geforderten Randbedingungen der Probekörper. Einzig eine jeweils an der Hauptschließkante des Öffnungsflügels angebrachte Kontaktleiste kann den richtigen Schutz unter den normativen Prüfbedingungen bieten. Diese sind zusätzlich an den Hauptschließkanten der Öffnungsflügel anzubringen.
Zusatzinfos
Wo Sie mehr erfahren!
Handwerkerradio: Mehr aktuelle Schadensfälle können Sie im Handwerkerradio (im Internet unter www.handwerker-radio.de) hören. Dort werden regelmäßig unter anderem interessante Schadensfälle aus dem Metallbau besprochen.
Schadensfälle: Eine Reihe von Schadensfällen zum Thema Automatisierung ist in den Bänden 1 bis 5 „Schäden im Metallbau“ aus der RM Rudolf Müller Medien enthalten. Recherchieren können Sie auch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.
Fachregelwerk: Wichtige Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik in den Kapiteln 2.1 Fenster und 2.23.0.10 Anforderungen an die Ausstattung mit Bedien- und Sicherheitstechnik. Weitere Informationen zu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&T-Kundenservice, E-Mail rudolf-mueller@vuservice.de oder von Mo-Fr von 7:30 bis 17 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.
Podcast: Spannung für die Ohren und den Kopf verspricht der M&T Podcast mit einem hörbaren Einblick in zahlreiche Schadensfälle. Verfügbar sind bereits fast fünfzig Fälle auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Anchor, Apple Podcast, Spotify oder Google Podcast.
Baujahr: 2020
Schadensjahr: 2020