Die Geländer auf der der Hausrückseite lassen sich sehr leicht aufschwingen. Der Pfostenabstand beträgt hier über zwei Meter. Eine Statik wurde nicht vorgelegt.
Die Geländer auf der der Hausrückseite lassen sich sehr leicht aufschwingen. Der Pfostenabstand beträgt hier über zwei Meter. Eine Statik wurde nicht vorgelegt. (Quelle: Sternberger)

Schadensfälle 28. March 2022 Fallstrick Untervergabe

(April 2022) Bei einer Balkonsanierung waren auch neue Geländer angebaut worden. Die waren allerdings so wackelig und mangelhaft, dass nur eine Verschrottung übrigblieb. Hauptursache war eine nicht vereinbarte und nicht kontrollierte mehrfache Untervergabe der Arbeiten. 

Die Aufgabe des ö.b.u.v. Sachverständigen ist die reine fachliche Analyse und Bewertung im bestellten Fachgebiet. Die vertragliche beziehungsweise rechtliche Bewertung gehören nicht dazu. Bisweilen zeigt sich aber, dass mit der Untervergabe von Arbeiten und vor allem bei mehrfacher Untervergabe oftmals die fachliche Qualität der Ausführung sinkt. Dieser Fall zeigt drastisch, wie das Ergebnis aussehen kann.

Seien Sie bei einer Untervergabe vorsichtig

Die Fehler an der Befestigung sind zahlreich: Fehlbohrung, zu geringer Randabstand, ein gehefteter Flachstab als Pfosten und die abgeschnittenen Anker weisen auf eine zu geringe Verankerungstiefe hin.
Die Fehler an der Befestigung sind zahlreich: Fehlbohrung, zu geringer Randabstand, ein gehefteter Flachstab als Pfosten und die abgeschnittenen Anker weisen auf eine zu geringe Verankerungstiefe hin. (Quelle: Sternberger)

In diesem Fall kam die Anfrage an den Sachverständigen vom Bauherrn. Das Objekt ist ein innerstädtisches, fünfstöckiges Altbau-Wohnhaus, bei dem gerade die Balkonsanierungen abgeschlossen waren. Die Einrüstung war zurückgebaut. Der Bauherr monierte nun sehr wacklige Geländer, die sich aufschwingen ließen und sonst auch keinen stabilen oder sicheren Eindruck vermittelten.In den folgenden zwei Ortsterminen stellte sich heraus, dass die Geländer zur Herstellung vom Auftragnehmer an ein Subunternehmen weitervergeben wurden. Dieses Unternehmen hat wiederum die Montage der Geländer an ein drittes Unternehmen weitervergeben.

Das Ergebnis der Besichtigung im ersten Ortstermin war entsprechend verheerend. Nachfolgend eine Auswahl der dokumentierten Fehler:Nahezu alle Geländersegmente ließen sich problemlos aufschwingen. Sie wirkten insgesamt sehr instabil. Die Geländerpfosten waren aus Flachstahl vierzig Millimeter mal acht Millimeter hergestellt und mit dem Schwert durch kurze Heftschweißungen verbunden. An den Ankerplatten gab es mehrere Fehlbohrungen und abgeschnittene Dübel, die auf eine zu geringe Verankerungstiefe schließen ließen. Unterschrittene Randabstände und in einigen Fällen fälschlich eingebrachte verzinkte Dübel, etc. wurden dokumentiert. Die Anbindung der oberen Geländer (Dachbereich) ans Gebäude war völlig dilettantisch.

Legen Sie eine statische Berechnung vorZunächst stellte sich heraus, dass die jeweiligen Untervergaben eigenmächtig vonstattengingen und insbesondere ohne Mitteilung an den Bauherrn. Im nicht ganz so einfachen zweiten Ortstermin waren dann Beteiligte von allen drei Firmen anwesend. Die Frage nach einer statischen Berechnung des Geländers wurde erwartungsgemäß von niemandem beantwortet. Die Verantwortung für die offensichtlichen Fehler wurden hierarchisch von oben nach unten abgegeben. Dabei war festzustellen, dass der anwesende Monteur außer Basiskenntnissen auch ein Verständnis in der Befestigungstechnik vermissen ließ.

Der zweite Ortstermin endete dennoch insofern friedlich, da der Sachverständige seine Bewertung beharrlich nicht im Ortstermin, sondern nach Auswertung ausschließlich schriftlich im Gutachten abgab.

Schadensvermeidung

Die dilettantische Befestigung des seitlichen Geländers. Unten ein dünnes Winkelblech mit Holzschraube und auf mittlerer Höhe eine sehr ausgefallene (nicht vertrauenserweckende) Variante.
Die dilettantische Befestigung des seitlichen Geländers. Unten ein dünnes Winkelblech mit Holzschraube und auf mittlerer Höhe eine sehr ausgefallene (nicht vertrauenserweckende) Variante. (Quelle: Sternberger)

Das sollten Sie beachtenDie Leistungsweitergabe an einen Nachunternehmer bedarf in den meisten Fällen der schriftlichen Zustimmung des Auftraggebers, ist aber in jedem Fall mitteilungspflichtig. Der weitergebende Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass der Nachunternehmer die geschuldete Bauleistung als Grundlage annimmt.

Fazit:

Achten Sie auf die Mitteilung an den Auftraggeber

Durch die Vielzahl der drastischen Fehler an den Befestigungspunkten und der schwachen konstruktiven Ausgestaltung waren die Geländer nicht zu retten. Der Bauherr war auch gewillt die Erneuerung gerichtlich durchzusetzen. Ansprechpartner war nur der erste Auftragnehmer.Geländer sind nach Planungsunterlagen fachgerecht herzustellen und mit geeigneten Befestigungsmitteln zulassungskonform zu befestigen.Zur Schadensvermeidung sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Untervergabe an Nachunternehmen Regelungen unterliegt und in den meisten Fällen der Zustimmung des Auftraggebers bedarf, mindestens aber mitteilungspflichtig ist. Interessantes steht zum Beispiel in der VOB Teil B in Paragraf vier, Absatz acht.

Baujahr/Schadensjahr: 2016

German Sternberger, ö.b.u.v. Sachverständiger

Lesetipp

Lernen Sie aus Schäden an Treppen und Geländern

Abbildung der Buchcover Schäden im Metallbau Band 1-5
Schäden im Metallbau Band 1-5 (Quelle: Charles Coleman Verlag GmbH & Co. KG)

Im April 2022 erscheint der fünfte Band der Buchreihe „Schäden im Metallbau. Ursachen – Bewertung – Vermeidung“. Diesmal kommen die hundert neuen Schadensfälle der 22 Autoren (Sachverständige, Gutachter und Anwendungstechniker) aus dem metallbautypischen Bereich der Treppen und Geländer.

Die Gliederung der hundert Fälle erfolgt nach den planerischen, technischen, konstruktiven und verfahrenstechnischen Schwerpunkten der Treppen- und Geländerplanung, -fertigung und -montage. Außerdem erhalten Leser unter anderem Informationen zu Statik und Befestigungen, zu Maßen und Toleranzen, zum Schutz der Leistung und zum Baurecht. Weitere Informationen sowie Bestellmöglichkeiten unter www.baufachmedien.de/schaeden.

Handwerker-Radio:

Mehr aktuelle Schadensfälle können Sie im Handwerker-Radio (im Internet unter www.handwerker-radio.de) hören. In der Sendung „M&T Metall-produktiv“ werden jeden Dienstag und Freitag in der Zeit von 14 bis 15 Uhr unter anderem interessante Schadensfälle aus dem Metallbau besprochen.

Schadensfälle:

Schäden im Metallbau Band 1-4
Schäden im Metallbau Band 1-4 (Quelle: Charles Coleman Verlag)

Eine Reihe von Schadensfällen zum Thema Treppen und Geländer sind in den Bänden 1 bis 4 „Schäden im Metallbau“ aus dem Coleman-Verlag enthalten. Recherchieren können Sie auch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.

Fachregelwerk:

Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik in den Kapiteln

1.4 Statik und Konstruktion,

1.9 Befestigungstechnik,

2.35 Gebäudetreppen und

2.38 Geländer und Umwehrungen, Brüstungen, Handläufe.

Weitere Informationen zu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&T-Leserservice, E-Mail: coleman@vuservice.de oder von Mo-Fr von 7:30 bis 17 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.

Podcast:

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zuletzt editiert am 03.05.2022