(Oktober 2022) Eigenspannungen, die beim Schweißen entstehen, und eine daraus resultierende Verformung lassen sich durch den Metallbauer kaum vermeiden. Ein gängiges Verfahren, um diese Verformungen zu beseitigen, ist das Flammrichten.
Dazu gehört aber eine große Portion Erfahrung.
Das Flammrichten wird in fast allen Metallhandwerksbetrieben eingesetzt. In vielen Fällen ist eine wirtschaftliche Fertigung ohne sachgerechtes Flammrichten kaum möglich. Verzug, Verwerfungen, Verbiegungen und Verdrehungen lassen sich mit der Flamme schnell, werkstoffschonend, sicher und kostengünstig richten.
Beim Flammrichten wird das Werkstück gezielt örtlich rasch bis in den plastischen Bereich erwärmt. Dabei tritt durch die behinderte Wärmeausdehnung eine bleibende Stauchung des erwärmten Bereiches ein. Während des Abkühlens ergibt sich eine Kürzung im Werkstück, die zu der erwünschten Formänderung führt. Jede Richtaufgabe ist sozusagen ein Unikat und verlangt sorgfältiges Vorgehen und viel Erfahrung und Fachwissen.
Alle schweißgeeigneten Werkstoffe lassen sich problemlos Flammrichten, wenn mit gleicher Sorgfalt werkstoffspezifische Eigenschaften berücksichtigt werden, wie es beim Schweißen üblich ist.
Hier eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile beim Flammrichten.
Vorteile:
- Werkstoff und Werkstoffoberfläche werden kaum beeinflusst.
- Die Größe der Flamme und ihre Einstellung lassen sich gut an die Werkstücke und Werkstoffe anpassen.
- Zum Flammrichten ist kein Kraftaufwand erforderlich.
- Flammrichten ist oft die einzige Möglichkeit, ein Bauteil in die erforderliche Form zu bringen.
- Flammrichten ist wirtschaftlich.
Nachteile:
- viel Erfahrung und Kenntnisse erforderlich,
- Gefahr des Festigkeitsabfalls,
- Gefahr der Gefügeveränderung,
- Gefahr der Aufkohlung, Anschmelzungen.
Erwärmen Sie schnell

Das Erwärmen auf die notwendige Richttemperatur sollte schnell erfolgen, so dass sich die Richtstelle an der festen Umgebung aufstauchen kann. Kurze Anwärmzeiten verhindern Änderungen der Werkstoffeigenschaften. Die Höhe der Flammrichttemperatur ist werkstoffabhängig. Der Werkstoff muss in den plastischen Bereich erwärmt werden.
Hier einige typische Flammrichttemperaturen:
- allgemeine Baustähle: 600 bis 800 Grad Celsius,
- hochfeste Feinkornbaustähle: 550 bis 700 Grad Celsius,
- austenitische CrNi-Stähle: 650 bis 800 Grad Celsius,
- Aluminium und Aluminiumlegierungen: 150 bis 540 Grad Celsius,
- Kupfer: 600 bis 800 Grad Celsius.
Die Kontrolle der Temperatur kann durch Fichtenholzstrich auf der Oberfläche erfolgen:
- 350 Grad Celsius: hellbrauner Strich,
- 400 Grad Celsius: brauner Strich,
- 450 Grad Celsius: dunkelbrauner Strich,
- 500 Grad Celsius: schwarzer Strich.
Die Wärmefigur muss in ihrer Fläche und Tiefe genau bestimmt werden. Für ein möglichst optimales Richtergebnis werden je nach Bauteil und Verformungsgrad verschiedene Wärmefiguren angewendet.
Die Wärmefiguren sind (bis auf den Wärmepunkt) auf dem Bauteil aufzuzeichnen, damit ein Überblick über die durchzuführende Erwärmung möglich ist.
Folgende Arten der Erwärmung werden beim Flammrichten angewendet:
- Wärmepunkt: Blechrichten,
- Wärmepunktfeld: Blechrichten mit Lochplatten,
- Wärmeoval: Rohrrichten,
- Wärmering: zum Verkleinern des Durchmessers oder zur Verkürzung der Länge,
- Wärmestraße,
- Wärmestrich: zum Richten von Längsschrumpfungen,
- Wärmepunktstraße: zum Richten von Winkelverzug,
- Mehrstrich-Wärmestraße: zum Beseitigen des Winkelverzuges an Plattenfeldern ab etwa vier Millimeter Materialdicke,
- Wärmekeil: zum Krümmen und zum Beseitigen von Krümmungen,
- Kombination von Strichen und Keilen.
Wählen Sie den richtigen Brenner

Die Acetylen-Sauerstoff-Flamme eignet sich sehr gut für den Einsatz beim Flammrichten, da sie sich mit einer unterschiedlichen, gut sichtbaren Flammeneinstellung allen Werkstoffen anpasst. Der klassische Flammrichtbrenner ist der Acetylen/Sauerstoff-Einflammenbrenner, wie er für allgemeine Arbeiten der Autogentechnik verwendet wird. Für besondere Fälle zum Beispiel um einen Winkelverzug zu beheben oder um Beulen an dicken Blechen zu beseitigen, haben sich umschaltbare Mehrflammenbrenner bewährt.
Die Werkstückdicke und der Werkstoff (Wärmeleitfähigkeit) sind die Kriterien für die Wahl der Brenner. Bei Bau- und Feinkornbaustählen (gute Wärmeleiter) werden Brennereinsätze gewählt, die ein bis zwei Brennergrößen größer sind als Brennereinsätze, die bei der gegebenen Werkstückdicke zum Gasschmelzschweißen einzusetzen wären.
Für das erfolgreiche Flammrichten ist die Auswahl einer optimalen Dehnungsbehinderung besonders wichtig. Die kalte Umgebung ist die natürlichste Dehnungsbehinderung beim Flammrichten. Ein Abwandern der Wärme durch zu lange Erwärmung verschlechtert die Richtwirkung. Reicht die Behinderung der Wärmeausdehnung durch die kalte Umgebung der Wärmestelle nicht aus, sind mechanische Hilfsmittel sinnvoll. Dadurch wird die Stauchung unterstützt und die Richtwirkung verstärkt. Mechanische Hilfsmittel sollten aber nicht spannen, sondern nur festhalten.
Nach der Erwärmung erfolgt die kontrollierte Abkühlung. Dies erfolgt ausgehend vom Rand des Erwärmungsbereichs bis ins Wärmezentrum, um so die Schrumpfung einzuleiten. Es ist darauf zu achten, dass die Wärmekeile nicht von der Keilspitze her gekühlt werden – dies kann das Schrumpfen an der Gurt-Oberfläche verhindern. Der Schrumpfprozess ist wirksam, bis das Werkstück handwarm ist. So lange soll auch die Behinderung der Wärmeausdehnung belassen werden. Schnelleres Abkühlen kann mittels Druckluft (wasser- und ölfrei) oder mit Wasser erfolgen. CrNi-Stähle müssen aus metallurgischen Gründen rasch abgekühlt werden. Dies kann auch durch Trockeneis erfolgen.
Fazit: Sammeln Sie Erfahrung
Verzug, Verwerfungen, Verbiegungen und Verdrehungen von Bauteilen aus metallischen Werkstoffen lassen sich mit dem Flammrichten schnell, werkstoffschonend, sicher und kostengünstig beseitigen. Dazu ist aber einiges an Fachwissen und eine gehörige Portion Erfahrung erforderlich. Die schweißtechnischen Ausbildungsstätten bieten dazu einschlägige Lehrgänge an.
Wo Sie mehr erfahren
Schadensfälle: Eine Reihe von Schadensfällen zum Thema „Bauteilverzug und Flammrichten“ ist in den Bänden 1 bis 5 „Schäden im Metallbau“ aus dem Coleman-Verlag enthalten. Recherchieren können Sie auch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.
Fachregelwerk: Wichtige Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik im Kapitel 1.7.1.4.2 Flammrichten. Weitere Informationen zu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&T-Kundenservice, E-Mail: coleman@vuservice.de oder Mo.-Fr. von 7:30 bis 17:00 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.
Viele Definitionen von Begriffen des Metallbaus finden Sie unter www.mt-metallhandwerk.de/Lexikon.
Beachten Sie diese Arbeitsregeln beim Flammrichten
- Ausmessen des Bauteils,
- Oberfläche säubern,
- Wärmeausdehnung behindern,
- richtige Brennergröße festlegen,
- Flammeneinstellung an Werkstoff und Werkstoffform anpassen,
- Flammrichttemperatur genau einhalten,
- schnell anwärmen,
- Wärmeprofile richtig wählen und setzen,
- Flammrichtarbeiten beaufsichtigen.