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"Freibleibende Angebote bieten die benötigte Flexibilität, wenn die eigenen Beschaffungskosten steigen oder Materialien nicht fristgerecht verfügbar sind", weiß Rechtsanwältin Marion Gutheil. (Quelle: Monika Baumann)

Herausfordernde Zeiten für Unternehmen 28. March 2023 Tipps zum Thema Materialengpässe

Seit über einem Jahr dauert nun der Krieg in der Ukraine an. Die dadurch ausgelösten Lieferengpässe und daraus resultierenden Preissteigerungen belasten die deutsche Wirtschaft weiterhin stark. Auch wenn der Höchststand der Metallpreise aus dem Frühjahr 2022 wieder unterschritten ist, steigen diese seit Dezember erneut an. Sie liegen immer noch deutlich über dem Vorkriegsniveau. Das stellt Unternehmen täglich weiter vor Herausforderungen. Denn im deutschen Recht gilt als wichtigstes Grundprinzip des Vertragsrechts: pacta sunt servanda – was zwischen den Vertragsparteien vereinbart ist, muss erfüllt werden. Wie können sich Unternehmen mit Blick auf diese Anforderungen bestmöglich aufstellen?

Flexible Vertragsgestaltung

Aus Sicht des Lieferanten empfiehlt es sich, abzuschließende Lieferverträge möglichst flexibel zu gestalten und auf lange Vertragsbindungen zu verzichten. Klauseln, die eine kurzfristige Kündigungsmöglichkeit einräumen oder Preisanpassungen ermöglichen, wenn die eigenen Beschaffungskosten in die Höhe schnellen, sind ratsam. Hier kann man etwa auf Preisindexe zurückgreifen und prozentuale Steigerungen verhandeln.

Vorsicht bei Preisgleitklauseln

Vorsicht ist allerdings geboten bei der Vereinbarung von Preisgleitklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABGs). Die Rechtsprechung stellt strenge Anforderungen an deren Wirksamkeit. Entsprechende Klauseln sollte ein Rechtsanwalt überprüfen.

Flexibilität durch freibleibende Angebote

Freibleibende Angebote bieten die benötigte Flexibilität, wenn die eigenen Beschaffungskosten steigen oder Materialien nicht fristgerecht verfügbar sind. Das Angebot ist in diesem Fall nicht bindend, erst wenn der andere Teil auf dieses reagiert und es annimmt, hat der Abgebende unverzüglich zu widersprechen, will er sich nicht mehr an die ursprünglichen Bedingungen binden. Um unkalkulierbare Transportkosten zu vermeiden, kann die Lieferung ab Werk angeboten werden.

Tipps für Abnehmer

Die Sicht des Abnehmers ist konträr. Dieser wird versuchen, durch langfristige Preisbindung eine gesicherte Kalkulationsbasis zu erhalten und Verträge entsprechend zu verhandeln. Um selber liefer- und handlungsfähig zu bleiben, empfiehlt es sich, wo es möglich ist, einen gewissen Lagerbestand vorzuhalten. Erfüllt der Lieferant den Vertrag nicht, sollten Schadensersatzansprüche wegen Verzugs geprüft werden. Der Lieferant kann allerdings gegebenenfalls versuchen, sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zu berufen, da viele Ursachen für Preissteigerungen und Lieferengpässe mittelbar aufgrund der Ukrainekrise entstehen. Erfolgreich kann dieses Argument allerdings nur für die Fälle bemüht werden, in denen der Vertrag mit seinen Bedingungen vor Kriegsbeginn geschlossen wurde.

Kommunikation als zentraler Faktor

Am wichtigsten ist jedoch: Bleiben Sie mit Ihrem Vertragspartner im offenen Austausch und suchen Sie eine für beide Seiten tragfähige Lösung, denn letztlich sitzen alle im gleichen Boot.

Autorin: Marion Gutheil ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Insolvenzrecht und Mediatorin. Sie leitet den Düsseldorfer, Hagener und Großwallstadter Standort der MÖNIG Wirtschaftskanzlei

zuletzt editiert am 12.04.2023