Dass Kundenreklamationen eine Chance darstellen, ist richtig, denn aus gemachten Fehlern kann man lernen. Aber Hand aufs Herz: Was nutzt Ihnen dieser Ansatz, wenn ein Kunde wutschnaubend zu Ihnen kommt? Dann müssen Sie und Ihre Mitarbeiter vorbereitet sein und auch Ihre Rechte und Pflichten gegenüber dem Kunden kennen.
Reklamiert ein Kunde zu Recht, sind Sie in der Pflicht. Ihre Verpflichtungen ergeben sich aus dem BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und dem HGB (Handelsgesetzbuch). Ziel ist es, dass der Grund der Reklamation beseitigt wird.
Bei einer Reklamation muss Ihnen der Kunde zunächst eine angemessene Frist einräumen, damit Sie den Schaden beseitigen können. Bei der Beseitigung spricht man auch von der „Nacherfüllung“. Sie können diesen Anspruch durch eine Reparatur oder Ersatz erfüllen. Sie müssen hierbei alle anfallenden Kosten tragen. Hierzu gehören auch Nebenkosten wie eventuell anfallende Transportkosten.
Der Kunde kann allerdings unter Umständen vom Vertrag zurücktreten. Ein Vertragsrücktritt ist möglich, wenn
- die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist (§ 440 BGB). Als fehlgeschlagen gilt allgemein, wenn zwei Versuche, den Mangel zu beheben, scheiterten.
- der Kunde die Nacherfüllung ablehnt, weil sie für ihn nicht zumutbar ist (§ 439 Abs. 3 BGB). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Nacherfüllung für Ihren Kunden mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre.
- Sie eine Nacherfüllung verweigern. Es kann etwa sein, dass die Nacherfüllung für Sie mit zu hohen Kosten verbunden ist. Das dürfte aber ein ungewöhnlicher Ausnahmefall sein.
- der Kunde eine angemessene Frist für die Nacherfüllung setzte und Sie diese ungenützt verstreichen ließen (§ 323 BGB).
- die Nacherfüllung beispielsweise wegen grober Fahrlässigkeit oder Arglist unmöglich wird (§ 281 BGB). Auch diese Situation dürfte bei Ihnen praktisch ausgeschlossen sein.
Ihr Kunde kann aber nur vom Vertrag zurücktreten, wenn ein erheblicher Mangel vorliegt (§ 323 BGB). Ein Mangel gilt als unerheblich, wenn lediglich eine geringe Beeinträchtigung des Kaufgegenstandes vorliegt. Hier gehen allerdings die Meinungen zwischen Verkäufer und Käufer oft weit auseinander.
Wünscht ein Kunde vom Kauf zurückzutreten, obwohl Sie noch keine Chance hatten, den Schaden wiedergutzumachen, sollten Sie dennoch den Rücktritt in Betracht ziehen. Wenn Sie auf Ihrem Recht bestehen, wird der Kunde bei Freunden und Bekannten wahrscheinlich kein gutes Haar an Ihrem Unternehmen lassen. Hier kann die Rufschädigung schlimmere Folgen haben als der Verlust des Auftrags.
Gut vorbereitet sein: das Reklamationsmanagement
Nobody is perfect. In jedem Unternehmen und Betrieb kann es zu Situationen kommen, die zur Beschwerde führen und damit das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Kunden gefährden. Wie in den meisten Fällen heißt es auch hier: Vorbeugen ist besser. Darum sollten Sie in Ihrem Geschäft ein Reklamationsmanagement errichten.
Die Bezeichnung „Reklamationsmanagement“ ist allerdings etwas irreführend. Da das Reklamationsmanagement auch dazu beitragen soll, Beschwerden zu vermeiden, geht es hier nicht nur um Reklamationen. Anfragen von Kunden können beispielsweise helfen, Schwachstellen im Service zu entdecken. Lob signalisiert, wo es richtig gut läuft. Hier sollten Sie sich fragen, ob man das vom Kunden Gelobte auch auf andere Bereiche im Unternehmen übertragen kann. Geradezu sträflich wäre es, etwaige Vorschläge oder Ideen der Kunden zu ignorieren. Sie sehen: Das Reklamationsmanagement umfasst ein weites Feld.
Wie ist die aktuelle Lage im Betrieb?
Positive Reaktionen Ihrer Kunden sollten vom Reklamationsmanagement dahingehend analysiert werden, inwieweit hier Regelungen für andere Bereiche abgeleitet werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten Sie auf Standards und Neuerungen im Kundenumgang regelmäßig – einmal im Monat – hinweisen.
Das Reklamationsmanagement muss natürlich auch die negativen Reaktionen der Kunden im Auge behalten. Alarmsignale sind steigende Beschwerdezahlen und wiederholte Beschwerden wegen derselben Angelegenheit. Wiederholungsbeschwerden sind fast immer ein Zeichen, dass bei der Erledigung der Reklamation nicht kundenorientiert gearbeitet wurde.
Grundsätzlich sollte im Reklamationsmanagement erfasst werden:
- Wie häufig treten Reklamationen auf (monatliche Erfassung, um Tendenzen frühzeitig zu erkennen)?
- Warum wird sich beschwert? Häufig ergeben sich hier schon Lösungsansätze: Wechsel des Lieferanten bei häufigen, berechtigten Beschwerden über Material; Mitarbeitergespräch, wenn sich die Reklamationen auf Personen beziehen. Beschweren sich Kunden über schwierige Abtransport-Wege, kann es sein, dass schon eine Verlegung der Parkplätze das Problem lösen kann.
- Wie schnell werden Kundenreklamationen bearbeitet? Gerade bei Beschwerden muss so schnell wie möglich reagiert werden. Darum sollte es auch eine To-do-Liste geben, die für die häufigsten Pro-
blemfälle zur Verfügung steht.
Die Ziele des Reklamationsmanagements
Das Reklamationsmanagement hat zwei zentrale Aufgaben. Zum einen soll es helfen, aus Beschwerden Lösungen abzuleiten, mit denen die reklamierten Vorfälle in Zukunft vermieden werden. Auf der anderen Seite soll es aber auch dazu beitragen, dass aus einem verärgerten Kunden wieder ein zufriedener Kunde wird.
Darum entwickelt das Reklamationsmanagement Verhaltensvorgaben, damit der Kunde überzeugt wird, dass seine Beschwerde ernst genommen und ihm ein umfassender Service zur Beseitigung der Reklamation geboten wird. Gleichzeitig werden die Ursachen einer Beschwerde analysiert und so weit wie möglich beseitigt.
Gelingt es, einem Kunden möglichst schnell und umfassend zu helfen, kann eine Reklamation sogar dazu führen, dass der Kunde noch stärker als zuvor an Ihr Unternehmen gebunden wird. Das Reklamationsmanagement hilft, Ihren Betrieb als äußerst kundenfreundlich darzustellen, unterstreicht die Serviceorientierung Ihres Betriebs und trägt so zur stärkeren Kundenbindung bei.
Wenn es zur Reklamation kommt
Auch das beste Reklamationsmanagement kann nicht jede Kundenbeschwerde verhindern. Darum sollten einige grundsätzliche Dinge schon geregelt werden, bevor ein Kunde mit seiner Reklamation in Ihr Geschäft kommt. Diese Regeln sollten vom Reklamationsmanagement an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermittelt werden.
So sollte jeder Mitarbeiter wissen, was zu tun ist, wenn ein Kunde mit einer Reklamation zu Ihnen kommt. Das gilt für einige grundsätzliche Verhaltensregeln (höflich und freundlich bleiben, Ruhe in das Gespräch bringen), aber auch für klare Festlegungen, welche Möglichkeiten die Mitarbeiter haben, um zu reagieren (selbst Lösungen anbieten oder an den Chef weiterleiten).
Tödlich ist es, wenn der Mitarbeiter mit dem Satz reagiert „Da muss ich erst mal nachfragen“. Das kann zwar richtig sein – aber vom reklamierenden Kunden wird das negativ aufgenommen und meist als Zeichen der Inkompetenz ausgelegt.
Das Dolmetscher-Prinzip
Wenn man mit einem Kunden redet, der sich beschwert, muss man genau überlegen, was man sagt. Denn der Kunde hört das, was ein „Dolmetscher“ ihm zuflüstert. Dieser Dolmetscher zieht alles ins Negative. Sagen Sie beispielsweise „das kann ich mir nicht vorstellen“, übersetzt der Dolmetscher „der behauptet, dass Du lügst“. Das führt nur zu weitergehender Verstimmung des Kunden.
Den Kunden sofort abfangen
Kommt ein Kunde zu Ihnen, um sich zu beschweren, sieht man ihm das größtenteils an. Man sollte dann direkt auf den Kunden zugehen. Gut sind auch „geheime Zeichen“, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einander signalisieren, dass ein Kunde ein potenzieller Beschwerdeführer ist – und wer sich sofort um ihn kümmert. Je länger der Kunde warten muss, umso größer wird seine Wut, was ein klärendes Gespräch weiter erschwert.
Da viele Kunden bei einer Beschwerde laut werden, sollte der Beschwerdeführer von anderen Kunden getrennt werden. Der Reklamierende sollte in einen Raum geführt werden, in dem er bequem Platz nehmen kann. Dort sollte man auch Getränke und Kekse anbieten, um die Spannung abzubauen. Wenn möglich, sollte das Gespräch unverzüglich beginnen. Auch hier gilt, dass jeder Moment, an dem der Kunde allein gelassen wird, sein Wutpotenzial vergrößert. Wichtig: Während Sie mit dem Kunden sprechen, darf man nicht stören (auch das Handy ist dann aus!).
Das Gespräch
Zunächst muss man die Spannungen beim Kunden abbauen und für eine sachliche Gesprächsbasis sorgen. Der Kunde will zunächst seinem Ärger Luft machen. Deshalb sollte man ihn erst einmal reden lassen. Je länger er redet, umso mehr baut sich die aufgestaute Wut ab und umso leichter wird es, eine gemeinsame Lösung zu finden. Kleine Notizen während des Gesprächs signalisieren dem Kunden, dass Sie ihn ernst nehmen. Nutzen Sie aber keinen „Reklamationsvordruck“. Das erzeugt beim Kunden den Eindruck, dass hier andauernd etwas schiefgeht. Ein einfacher Block tut hier die besten Dienste.
In dieser Phase des Gesprächs sollten Sie nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Leider vergreift sich der Kunde gerade in der „ersten Wut“ schnell im Ton und wird sogar beleidigend. In diesem Teil des Gesprächs gibt es aber nur ein Ziel: insgesamt Ruhe ins Gespräch bringen.
In der zweiten Phase des Gesprächs geht man auf die Reklamation ein. Ganz gleich, ob der Kunde im Recht ist oder nicht – es besteht ein Problem, das gemeinsam gelöst werden muss. Erzeugen Sie deshalb ein Wir-Gefühl. Sagen Sie offen: „Ich habe Verständnis für Ihre Situation, lassen Sie uns jetzt versuchen, wie wir gemeinsam das Problem aus der Welt schaffen können.“
Im zweiten Schritt dieses Gesprächsabschnitts wiederholen Sie – auch unter Zuhilfenahme Ihrer Notizen –, was der Kunde eigentlich will. „Habe ich Sie richtig verstanden, dass …“ oder „Lassen Sie mich einmal zusammenfassen, worum es uns bei der Problemlösung geht“ sind gute Einstiegsformulierungen. Eine Reklamation ist natürlich immer unangenehm. Deshalb können Sie auch gerne zugeben, dass Ihnen die ganze Angelegenheit an sich leidtut. Sie machen in diesem Moment aber noch keine Zugeständnisse.
Die Analyse
Gehen Sie nun daran, das Problem mit dem Kunden zu analysieren. Meist ist der Kunde in seiner Bewertung sehr oberflächlich. Fragen Sie deshalb nach. Welche Probleme tauchen konkret auf? Bestand das Problem von Anfang an oder hat es sich erst später ergeben? Jede Frage ist auch ein neuerlicher Beweis, dass Sie seine Reklamation ernst nehmen.
Die Reklamation ist berechtigt
Ist die Reklamation berechtigt, muss man sofort reagieren. Man darf dann auch nicht um den heißen Brei herumreden. Der Kunde nimmt es mit Genugtuung zur Kenntnis, wenn man unumwunden zugibt, dass hier etwas schiefgelaufen ist. Bitte nicht versuchen, sich herauszureden. Es kommt beim Kunden besser an, wenn man auch zum eigenen Fehler steht.
Am besten ist es natürlich, wenn der Grund der Reklamation sofort beseitigt wird. Allerdings wird dies in den meisten Fällen nicht möglich sein. Sie sollten aber möglichst schon im Beisein des Kunden zumindest die ersten notwendigen Maßnahmen einleiten. Rufen Sie beispielsweise gleich beim Lieferanten an, um Ersatz zu bestellen. Hat ein Mitarbeiter einen Fehler gemacht, rufen Sie ihn an und laden ihn zu einem Gespräch. Sie sollten den Mitarbeiter aber nicht hinzuziehen. Das wirkt oft so, als suche man einen „Sündenbock“.
Wird die Behebung der Reklamation einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, vereinbaren Sie mit dem Kunden einen festen Zeitplan, damit dieser weiß, woran er ist. Sollten sich Termine des Zeitplanes nicht einhalten lassen, informieren Sie den Kunden umgehend hierüber.
Die Reklamation ist teilweise berechtigt
Ist die Reklamation teilweise berechtigt, kommt die Kulanz ins Spiel. Da die Kulanz Ihr Geld kostet, sollten Sie überlegen, wie weit Sie gehen wollen oder können. Wenn es sich nur um Kleinigkeiten handelt, zeigen Sie sich großzügig. Handelt es sich um größere Kostenfaktoren, sollten Sie überlegen, wie Sie dem Kunden beibringen, dass er nur teilweise recht hat.
Fangen Sie damit an, dass Sie dem Kunden zunächst recht geben. „Ja – Sie haben recht, das muss ersetzt werden.“ Dadurch wird der Kunde milder gestimmt. Erklären Sie ihm dann, wie Sie das Problem lösen werden. Wenn beispielsweise ein anderes Material verwandt werden soll, sprechen Sie auch die Mehrkosten offen an und bieten dann „für den Ärger, den Sie hatten“ einen Nachlass an.
Die Reklamation ist nicht berechtigt
Bei nicht berechtigten Reklamationen muss man zwei Beschwerdeführer unterscheiden. Die einen wollen Sie schlicht „übers Ohr hauen“ und durch eine Reklamation nur etwas für sich herausschlagen. Bei solchen Kunden sollte man sich überlegen, ob man mit ihnen in Zukunft zu tun haben will. Hier sollten Sie auf keinen Fall nachgeben – auf solche Kunden kann man gut verzichten.
Es kann aber auch sein, dass es beim Kunden einfach Verständnisprobleme gab. Dann sollten Sie dafür sorgen, dass er nicht „wie ein dummer Junge“ dasteht. Hier dürfen Sie auch einmal einflechten, dass auch andere Schwierigkeiten haben, Zusammenhänge zu verstehen. Sie sollten nicht oberlehrerhaft wirken – andererseits darf der Kunde aber auch nicht an Ihrer fachlichen Kompetenz zweifeln.
Hallo Kunde – Danke schön!
Kunden, die sich beschweren, helfen Ihnen tatsächlich. Denn nur Fehler, die erkannt werden, können auch beseitigt werden. Deshalb bedanken Sie sich zum Abschluss des Gesprächs beim Kunden, dass er Ihnen die Chance gegeben hat, das Problem zu lösen. Ermuntern Sie ihn, Sie auch zukünftig zu informieren, wenn er in irgendeiner Art unzufrieden ist. Der Kunde verlässt Sie dann mit dem Gefühl, dass er von Anfang an ernst genommen wurde, sich seines Problems sofort angenommen wurde und man ihn dennoch weiterhin schätzt. So gewinnt man Kunden für die Zukunft.
Nachfragen zur Kundebindung
Wurde eine Reklamation im Sinne des Kunden erledigt, verfliegt meist die Wut rasch, und der Kunde ist zufrieden. Besonders positiv wird er es vermerken, wenn Sie ihn nach einigen Tagen anrufen und nachfragen, ob jetzt alles in Ordnung ist. Der Kunde wird dann auch anderen erzählen, wie gut Ihr Service ist.