Dank ihrer robusten Mechanik sind über Kurvenscheiben gesteuerte Mehrspindelautomaten sehr wartungsarm. Ergänzt eine Automatendreherei diese konventionellen Maschinen mit modernen, CNC-gesteuerten Drehautomaten, so kann sie ihre Leistungsbandbreite und Flexibilität erheblich steigern.
„Wir sind eine typische Automatendreherei mit Spezialisierung auf Bauteile aus Stahl, Edelstahl oder Messing im Durchmesserbereich zwischen vier und 16 Millimeter“, erläutert Patrick Schlatter, geschäftsführender Gesellschafter der RB-Cema in Biberist/Schweiz. Bis vor fünf Jahren betrieb das Unternehmen ausschließlich kurvengesteuerte Mehrspindel-Drehautomaten der Typen SAS 16, SAS 16.6 und AS 14 des Herstellers Tornos. Diese Maschinen sind mit sechs Spindeln in einem Trommelkopf ausgestattet. Dieser rotiert taktgesteuert von einer Arbeitsstation zur nächsten, wobei an jeder Station bestimmte Arbeitsgänge ausgeführt werden, bis das Teil nach der letzten Station abgestochen wird. Die erreichbaren Genauigkeiten liegen im Bereich zwei bis drei hundertstel Millimeter. Die meisten Drehautomaten sind mit automatischen Ladesystemen ausgestattet, was lange Einsatzzeiten ohne manuelle Eingriffe ermöglicht. Durch Nachrüstung mit Zusatzsystemen können selbst manche komplexeren Aufgaben ausgeführt werden. Zusammen mit der robusten, gut zu wartenden Mechanik und der Tatsache, dass durch das Mehrspindelprinzip pro Takt immer sechs Arbeitsgänge gleichzeitig durchgeführt werden, gewährleistet dies eine überlegene Wirtschaftlichkeit bei der Herstellung von Massendrehteilen im Stückzahlbereich zwischen 100.000 und fünfzig bis sechzig Millionen. Abnehmer sind vor allem die Automobilindustrie, der Maschinen- und Apparatebau sowie die Hersteller von Haushaltsgeräten und Hydraulikkomponenten.
Entscheidende Faktoren: Qualität…

„Bei unseren äußerst anspruchsvollen Abnehmern ist ein günstiger Preis nichts weiter als Eingangsvoraussetzung dafür, überhaupt als Lieferant zugelassen zu werden“, ergänzt Schlatter. Ebenso bedeutsam ist die Fähigkeit, das von diesen Abnehmern geforderte Qualitätsniveau ständig ohne Aussetzer sicherstellen zu können. Entscheidender Punkt sei die Einstellung der Mitarbeiter, welche ihr Arbeitsumfeld ständig auf mögliche nachteilige Einflüsse auf die Produktqualität im Auge behalten sollten. Qualität müsse von vornherein produziert werden. Durch ständige Selbstkontrolle der Mitarbeiter könne man Abweichungen früh erkennen, noch bevor die Produktion beginne, aus dem zulässigen Toleranzbereich herauszuwandern. In der Fertigung finden sich deshalb überall saubere, sorgfältig eingerichtete Messplätze mit geeigneten Vorrichtungen, an denen sich die Mitarbeiter ständig vergewissern, dass ihre Maschinen im vorgesehenen Toleranzband laufen. Aus dem gleichen Grund lege man beim Einrichten auf ein neues Teil mehr Wert auf Sorgfalt als auf Geschwindigkeit: Eine wirklich sauber auf die optimale Einstellung hin gerüstete Maschine produziere wesentlich länger gute Teile, was wesentlich ökonomischer sei als eine Stunde „eingesparter“ Rüstzeit.
Ergänzend setzt RB-Cema auch auf umfassende Automatisierung für eine mannlose hundertprozentige Qualitätskontrolle. Dies erfolgt durch vollautomatisierte optische Kontrolle aller erforderlichen Maße mithilfe von IT-gestützten Kamerasystemen. Selbstverständlich ist das Unternehmen auch nach ISO 9001 zertifiziert.
…und Innovationspartnerschaft

„Ein ganz wichtiger Aspekt ist auch die partnerschaftliche Beratung unserer Kunden bei der Entwicklung neuer Teile“, verrät Schlatter. Dabei könne man sein Wissen um Machbarkeiten und Grenzen des Fertigungsprozesses einbringen und dem Kunden oft erhebliche Einsparungen ermöglichen, indem man Tipps für produktionsgerechte Anpassungen der Konstruktion gebe. Das Wissen darum, wie der Zerspanungsprozess ablaufe und wie die Arbeitsumfänge der einzelnen Stationen am sinnvollsten aufzuteilen sind, gehöre leider nicht zu den Ausbildungsinhalten der Konstrukteure des Kunden. Erst eine funktionierende Entwicklungspartnerschaft beider Firmen beim Bauteildesign ermögliche es, hier das Optimum zu finden.
Moderne Maschinen erweitern Flexibilität und Bandbreite

„Mit kurvengesteuerten Maschinen allein kann man trotz ihrer Vorzüge nicht alles produzieren, was viele Kunde insgesamt an Bauteilen brauchen“, sagt Schlatter. Dies betreffe einerseits die erzielbare Genauigkeit und andererseits die Komplexität der zu erzeugenden Geometrie. So könne man bestimmte Arbeitsgänge wie seitliche Bohrungen, Anfräsungen von Flächen oder Vielflächnern oder das Einbringen von Schlitzen mit den mechanischen Maschinen nur mit erheblichem Zusatzaufwand darstellen. Oft erfordere dies zusätzliche Arbeitsgänge in einer zweiten Maschine, was durch die zweite Aufspannung zu höheren Ungenauigkeiten führt. Wenn man die gesamte Bandbreite der gewünschten Teile nicht selbst anbieten könne, zwinge man den Kunden geradezu zur Suche nach einem weiteren Lieferanten, was immer ein Risiko sei. Deshalb entschloss sich RB-Cema im Jahr 2012, als Ergänzung zum bisherigen Maschinenpark einen modernen, CNC-gesteuerten Mehrspindel-Drehautomaten des Typs Tornos Multiswiss sechs mal 14 mit Ladeautomatik zu beschaffen. Diese Maschinen verfügen über eine Trommel, in der sechs unabhängig voneinander arbeitende CNC-gesteuerte Spindeln sitzen, die nacheinander an sechs seitlich beweglichen Werkzeugschlitten vorbeilaufen. Diese Schlitten können mit unterschiedlichsten Zusatzaggregaten wie Mehrkantapparat, Querbohrapparat, HF-Spindel oder Fräsapparat bestückt werden, so dass eine sehr große Bandbreite an komplexen Arbeitsgängen wie Bohren, Fräsen oder Gewindeschneiden möglich wird. Aufgrund ihres Arbeitsprinzips sind die Anlagen fast so schnell wie kurvengesteuerte Systeme, erreichen aber wesentlich höhere Genauigkeiten bis herab zu drei bis fünf Mikrometer und ermöglichen dabei die Herstellung sehr anspruchsvoller Geometrien. Ganz besonders fällt dies im Vergleich zu den kurvengesteuerten Systemen dann ins Gewicht, wenn dadurch nachträgliche Arbeitsgänge in einer weiteren Anlage unterbleiben können. Zugleich entfallen dann die bei einer zweiten Aufspannung unvermeidlichen Nachteile bezüglich der Präzision.
Erfahrungen mit der neuen Technologie

„Die Multiswiss-Maschinen sind gut konzipiert, leicht zu bedienen, schnell und dank ihrer hydrostatisch gelagerten Spindeln äußerst präzise“, freut sich Schlatter. Der Arbeitsraum sei sehr praxisgerecht ausgelegt und ermögliche einen guten Späneabfluss, auch sei das System gut ein- beziehungsweise umzurüsten. Die Mitarbeiter hätten die neue Technologie nach entsprechender Schulung schnell akzeptiert und könnten gut damit umgehen. Auch die Zuverlässigkeit sei trotz der höheren Komplexität zufriedenstellend, die eine oder andere „Kinderkrankheit“ habe man gut in den Griff bekommen. Die hohe Präzision der Spindeln sowie die Vibrationsdämpfung durch das Ölkissen der Lagerung bewirkten einen deutlich geringeren Verschleiß der Werkzeuge. Hervorzuheben sei die Kompaktheit des Systems, das alle benötigten Komponenten in einer geschlossenen Einheit vereine und insgesamt dennoch weniger Standfläche benötige als andere Anlagen. Ein weiterer positiver Faktor sei die thermische Stabilisierung, die sich uhrzeitgesteuert bereits vor Beginn der Frühschicht einschaltet, so dass die Anlage schon zum Arbeitsbeginn auf Betriebstemperatur ist.
Fazit: Deutlich flexibler

Mit den neuen Systemen sei man wesentlich flexibler geworden, was die Erfüllung von Kundenwünschen angeht. Dies betreffe nicht nur die Aspekte Genauigkeit sowie Komplexität, sondern auch die Stückzahlen. Mit den neuen Geräten falle es leichter, auch einmal Vorserien- oder Testbearbeitungen mit geringeren Stückzahlen durchzuführen oder bei Lieferengpässen auch mal kleinere Losgrößen innerhalb kurzer Zeit zu erzeugen. In der Summe seien die Vorteile so bedeutsam, dass sich schon die erste neue Maschine trotz ihrer höheren Anschaffungskosten als ökonomisch vorteilhaft herausstellte. Seitdem habe man deshalb noch zwei weitere Tornos-Systeme des Typs Multiswiss beschafft.
Klaus Vollrath