(März 2021) Die Ausführung eines Balkongeländers war Gegenstand eines Streitfalles. Der Sachverständige stellte in seinem Gerichtsgutachten zahlreiche Mängel bei der Standsicherheit, der Befestigung, der Geländerausfachung und den Abständen fest. Lesen Sie, warum das Geländer ausgetauscht werden musste.
Auftraggeber und Metallbauer konnten sich nicht über die Anforderungen an die Ausführung eines Balkongeländers einigen. So wurde schließlich vom Landgericht ein Beweisbeschluss formuliert. Der Sachverständige für das Metallbauerhandwerk-Konstruktionstechnik wurde beauftragt, ein Gutachten zu erstellen und die Frage zu beantworten, ob das Balkongeländer sach- und fachgerecht beziehungsweise entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik ausgeführt wurde und, falls nein, ob und zu welchen Kosten eine Mängelbeseitigung möglich ist.
Am Ortstermin nahmen beide Parteien teil. Der Sachverständige hatte vorab Unterlagen wie Standsicherheitsnachweis, technische Unterlagen, CE-Kennzeichnung und Zulassungen verwendeter Bauteile angefordert, die jedoch nicht übergeben wurden. Der Metallbauer sicherte zu, diese umgehend zu übersenden, was jedoch ausblieb.
Achten Sie auf die Maße
Ist-Zustand: Bei dem begutachteten Balkongeländer handelt es sich um ein zweifach um neunzig Grad abgewinkeltes Geländer aus nichtrostendem Rundrohr mit einer Ausfachung aus Verbundglasscheiben mit matter Folie.
Die Geländerpfosten sind aus Rohren mit dem Durchmesser von 42,4 Millimeter mit zwei Millimeter Wanddicke gefertigt. Die Geländerpfosten der langen, parallel zum Gebäude verlaufenden Seite sind einmal um neunzig Grad abgewinkelt und jeweils mit zwei Rundstäben (Durchmesser zwölf Millimeter) an der Unterseite der Betonplatte mit Zweikomponentenkleber in vorgebohrten Löchern eingeklebt. Die vertikale Länge der Pfosten beträgt vom unteren, waagerechten Teil bis zum Handlauf 1.480 Millimeter. Der Abstand zwischen den Pfosten beträgt 1.150 Millimeter.
An den beiden kurzen Seiten sind die Pfosten nicht an der Unterseite der Balkonplatte befestigt. Die mittleren Pfosten sind gar nicht befestigt und die Pfosten an der Fassade sind mit zwei waagerechten Rundstäben (Durchmesser zwölf Millimeter) an der Klinkerfassade befestigt. Der Abstand vom Eckpfosten bis zum in der Fassade befestigten Pfosten beträgt etwa 1.860 Millimeter.
In Höhe des Bodenbelags und etwa 120 Millimeter unterhalb des Handlaufs sind alle Geländerpfosten durch ein eingeschweißtes Rundrohr (Durchmesser 33,7 Millimeter) verbunden.
Die Ausfachungen aus Verbundsicherheitsglas werden je Scheibe mit vier Klemmhaltern aus nichtrostendem Stahl zwischen den Geländerpfosten gehalten. Eine Scheibe ist um etwa zwanzig Millimeter in den Haltern nach unten gerutscht. Sie liegt auf dem unteren Gurt auf. Der Abstand des Balkonbelags zum Geländer variiert zwischen 75 und 120 Millimeter.
Weisen Sie Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit nach
Soll-Zustand: Das Planen, Herstellen und Montieren von Geländern unterliegt grundsätzlich den Anforderungen des Bauordnungsrechts und ist unter anderem in den Landesbauordnungen explizit geregelt. Die jeweilige LBO verweist auf die jeweils zu beachtenden technischen Baubestimmungen, die als Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen von den Bundesländern veröffentlicht werden. Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit sind nachzuweisen. Dies erfolgt in der Regel durch eine statische Berechnung.
Der ausführende Betrieb musste weiterhin (zum Zeitpunkt der Ausführung) eine zertifizierte werkseigene Produktionskontrolle (WPK) nach DIN EN 1090-1 besitzen und damit unter anderem auch geprüfte Schweißer für das eingesetzte Schweißverfahren nachweisen. Die Geländerfüllung ist so zu gestalten, dass Personen nicht hindurchfallen können. Entsprechende Anforderungen sind in einschlägigen Veröffentlichungen zusammengefasst, zum Beispiel in der BVM-Geländer-Richtlinie oder im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk-Konstruktionstechnik. Alle verarbeiteten Halbzeuge benötigen entsprechende Zeugnisse, Befestigungsmittel eine allgemeine bauaufsichtliche oder europäische technische Zulassung, in der deren Einsatz und Verwendung beschrieben sind.

Bauen Sie regelgerecht
Beantwortung der im Beweisbeschluss gestellten Fragen.
- Zur Standsicherheit des Geländers:
Der DIN EN 1991-1-1 Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke und dem entsprechenden nationalen Anhang sind die für den Standsicherheitsnachweis anzusetzenden Lasten, unter anderem auch für Absturzsicherungen, zu entnehmen (Tabelle 6.12).
Die horizontale Nutzlast q am Holm beziehungsweise Handlauf ist bei im privaten Bereich eingesetzten Geländern mit 0,5 kN/m anzusetzen. Für die Bemessung der Befestigung am Baukörper (Ankerplatte, Schrauben) wird zudem üblicherweise das Eigengewicht mit 0,3 kN/m und eine Last durch Auflehnen von 0,15 kN/m berücksichtigt. Zusätzlich sind bei Balkongeländern die Windlasten zu betrachten.
Aus den Lastannahmen und den Maßen von Pfostenabständen und Pfostenlängen lassen sich überschlägig das Biegemoment und das erforderliche Widerstandsmoment errechnen. Ergebnis ist, dass das in diesem Fall für die Geländerpfosten verarbeitete Rundrohr deutlich unterdimensioniert und somit statisch nicht ausreichend ist.
- Befestigung am Baukörper:
Die fünf Geländerpfosten der langen Seite sind mit jeweils zwei Rundstäben, die in die Unterseite der Betonplatte eingeklebt sind, am Baukörper befestigt. Von dem verwendeten Kleber fehlen die technischen Unterlagen, insbesondere die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, in der unter anderem die regelkonforme Verarbeitung und der Einsatzbereich beschrieben sind. Ob die Befestigung den allgemein anerkannten Regeln entspricht, kann ohne diese technischen Unterlagen nicht festgestellt werden.
Auch die Verankerung der beiden kurzen Seiten im Klinkermauerwerk ist nicht nachgewiesen beziehungsweise berechnet. Wenn die Anker nicht in der tragenden Wand mit einem zugelassenen Kleber befestigt sind, sondern nur in der Klinkerschale eingeklebt wurden, ist die Ausführung nicht fachgerecht.
- Geländerausfachung:
Für die verwendeten Glasklemmhalter liegen weder technische Unterlagen noch eine bauaufsichtliche Zulassung vor. In der Zulassung werden die geprüften Einsatzmöglichkeiten der Klemmhalter und die zu verwendenden Gläser in Art und Größe beschrieben.
Auf den Verbundsicherheitsglasscheiben fehlt die vorgeschriebene CE-Kennzeichnung für ESG (Einscheibensicherheitsglas) beziehungsweise TVG (teilvorgespanntes Glas). Das legt den Schluss nahe, dass es sich um Verbundsicherheitsglas aus zwei Floatglasscheiben handelt. Eine Sicherung in den Glasklemmhaltern gegen Herabrutschen fehlt. Klemmhalter, Glas und Ausführung entsprechen nicht den einschlägigen technischen Baubestimmungen.
Abstand von Bodenbelag zu Geländer:
Der horizontale Abstand vom Geländer zum Bodenbelag beträgt zwischen 75 und 120 Millimeter. Laut DIN 18065, Absatz 6.6 Seitenabstand und Bild A.9 Geländer und seitliche Abstände darf der Abstand maximal sechs Zentimeter betragen. Die am Objekt vorhandenen Abstände überschreiten den zulässigen Abstand deutlich und sind somit nicht regelkonform.
Fazit: Halten Sie sich an die Regeln
Zusammenfassend kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass das vorhandene Geländer in mehreren Punkten nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.
1. Die Geländerpfosten sind aus statischer Sicht unterdimensioniert.
2. Die Befestigung der Geländerpfosten am Baukörper ist nicht prüfbar, da die bauaufsichtliche Zulassung des verwendeten Befestigungsmittels und die statische Dimensionierung fehlen.
3. Die Ausfachung des Geländers mit Verbundsicherheitsglas (VSG) aus Floatglas ist nicht zulässig. Das Verbundsicherheitsglas muss aus Einscheibensicherheitsglas (ESG) oder teilvorgespanntem Glas (TVG) mit entsprechender Kennzeichnung hergestellt werden.
4. Für die Glasklemmhalter fehlt die bauaufsichtliche Zulassung, aus der auch hervorgeht, welches Glas in entsprechender Größe eingesetzt werden darf.
5. Der Abstand zwischen Geländer und Bodenbelag darf sechs Zentimeter nicht überschreiten. Wenn die Absturzsicherung ansonsten regelkonform wäre, könnte dieses Problem mit einem zusätzlichen Gurt, der mittig über der Rinne positioniert und als ein Durchtrittschutz wirkt, behoben werden.
In dem vorhandenen Zustand ist das Geländer nicht zu ertüchtigen und muss ausgebaut, entsorgt und mit einem regelgerechten Geländer ersetzt werden.
Baujahr/Schadensjahr: 2020
Karsten Zimmer, Bundesverband Metall (BVM)