(Dezember 2021) Eine Terrassenüberdachung war undicht und es fehlten die Zertifizierung des Betriebes und der Standsicherheitsnachweis. Was der Metallbauer alles falsch gemacht hat und wie es regelgerecht hätte sein müssen, erfahren Sie im Schadensbericht.
Durch den Sachverständigen sollte für ein Gerichtsgutachten eine Terrassenüberdachung an einem Wohnhaus begutachtet werden. Es sollte die Frage beantwortet werden, ob Niederschlag von außen über die nicht ausreichend funktionsfähige Abdichtung in die Konstruktion eindringt. Auch war zu klären, ob Schäden entstanden oder zu erwarten sind und zu welchen Kosten eine Mängelbeseitigung möglich ist.
Bei dem begutachteten Bauteil handelt es sich um eine pultförmige Überdachung der gesamten Terrasse sowie einem Teil der Kellertreppe des Wohnhauses. Die Überdachung ist etwa 7,7 Meter breit und 2,5 Meter tief.
Die Tragkonstruktion der Überdachung besteht aus zwei parallel zum Haus verlaufenden Tragprofilen. Das gartenseitige (tiefere) Profil ruht auf drei Stützen. Das an der Hausseite befindliche (obere) Profil wird von zwei Stützen getragen. Zwischen beiden Tragprofilen sind rechtwinklig zum Haus Sparren (Sprossen) gespannt, auf denen linienförmig gelagerte Glasscheiben liegen.
Die gesamte Tragkonstruktion ist aus unterschiedlichen Aluminiumprofilen hergestellt. Die Oberfläche der Aluminiumprofile ist weiß pulverbeschichtet. Vom Garten aus gesehen an der rechten Seite kragt das Dach etwa 0,5 Meter über die beiden Stützen hinaus. Das obere Tragprofil des Daches ist dort mittig über der Stütze gestoßen.

Legen Sie eine Statik vor
Beim Ortstermin wurde durch den Sachverständigen keine Bewässerung des Daches durchgeführt. Undichtigkeiten des Daches, zum Beispiel zwischen Glaseindeckung und oberem Aluminium-Tragprofil sowie zwischen dem oberen Tragprofil und der Regenrinne des Hausdaches, wurden von beiden Parteien als unstrittig bestätigt.
Eine zugehörige Leistungserklärung sowie die CE-Kennzeichnung nach DIN EN 1090-1 zu der Terrassenüberdachung sowie Zeichnungen und eine statische Berechnung konnten beim Ortstermin nicht vorgelegt werden.
Im Nachgang wurde dem Sachverständigen vom ausführenden Betrieb eine 55-seitige statische Berechnung von „Sparren- und Traufprofilen“ zugeschickt. Diese Systemstatik behandelt zehn verschiedene Aluminiumprofile mit unterschiedlichen Profildicken, Profillängen und Lastannahmen.
Es fehlt eine Leistungsbeschreibung zu der begutachteten Überdachung. Ebenso fehlt ein statischer Nachweis mit den angenommenen statischen Lasten und Spannweiten und daraus resultierend den eingebauten Profilen und Profilstößen.

Bemessen Sie nach Eurocode
Eine Überdachung ist ein Bauwerk. Sie unterliegt damit den Anforderungen aus der jeweiligen Bauordnung und der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) mit den dort aufgelisteten technischen Regeln. Die Planungsverantwortung wird im privaten Bereich meist von dem Produktlieferanten übernommen, wenn, wie in diesem Fall, kein Planungsbüro (Architekt/in) eingeschaltet ist. Insbesondere zu beachten ist, dass der Hersteller von tragenden Aluminium- (und Stahl-) Konstruktionen eine Zertifizierung nach DIN EN 1090 nachweisen muss. Die Bemessung der Tragkonstruktion erfolgt nach den entsprechenden Eurocodes, die Bemessung von Aluminiumkonstruktionen nach DIN EN 1999 (Eurocode 9). Die Einwirkungen auf die Tragkonstruktion sind in DIN EN 1991 (Eurocode 1) geregelt. Die Ausführungsklasse, nach der der Hersteller zertifiziert sein muss, regelt DIN EN 1999-1-1/NA. Für Überdachungen an Wohngebäuden benötigt der ausführende Betrieb die Ausführungsklasse EXC 1.
Darüber, dass eine Terrassenüberdachung regendicht sein muss, besteht zwischen den beiden Parteien Einvernehmen.
Beantwortung der im Beweisbeschluss gestellten Fragen
- Mittiger Stoß der waagerechten Vierkantprofile über dem Tragpfosten und eindringender Niederschlag:
An der vom Garten aus gesehenen rechten Seite ist das parallel zum Haus verlaufende obere Tragprofil über dem Pfosten gestoßen. Dieser Stoß ist weder technisch noch statisch beschrieben. Auch die Befestigung des Tragprofils auf dem Pfosten ist nicht ersichtlich. Dieser Anschluss wird in der Systemstatik weder erwähnt noch berechnet.
Zum Zeitpunkt der Besichtigung ist der Stoß zwischen den tragenden Profilen nicht dicht anliegend. Ob die Verbindung bei Belastung (Winddruck, Windsog, Schneelast etc.) dauerhaft tragfähig ist, kann nicht bestätiget werden. Folgeschäden sind möglich.
Die Abdichtung des Profilstoßes ist nicht fachgerecht ausgeführt. Das Auftragen eines Dichtstoffes auf die Außenfläche der Hohlprofile über einem Stoß ist in der ausgeführten Weise nicht dauerhaft.
- Entstandene Schäden durch das eindringende Wasser:
An den undichten Stellen der Terrassenüberdachung kann Wasser in die Profilrohre eindringen. Verbleibt dieses Wasser in den Profilen (Sparren, Stützen etc.), sind in einer Frostperiode Schäden durch Expansion des frierenden Wassers möglich. Beim Ortstermin waren äußerlich keine Schäden sichtbar.
Für elektrische Bauteile unter einem undichten Dach besteht die Gefahr der Beschädigung durch Feuchtigkeit oder eindringendes Wasser.
- Fehlende Abdeckkappen und dadurch entstandene Schäden:
Es fehlt eine Abdeckung, die das obere Tragprofil an der vom Garten aus gesehenen linken Seite verschließt. Schäden sind zum Zeitpunkt des Ortstermins keine ersichtlich.
Da ein Eindringen von Regen durch die darüber befindliche Abdeckung weitestgehend verhindert wird, sind eventuelle Schäden an dieser Stelle in Zukunft nicht zu erwarten.
- Anschluss der Terrassenüberdachung an die Terrassenüberdachung der Nachbarn:
Ob das Dach an der Seite zum Nachbarn zu kurz ist, kann ohne eine entsprechende Leistungsbeschreibung und Planungsunterlagen (Zeichnungen) nicht beurteilt werden.
Richtig ist, dass sich zwischen dem begutachteten Terrassendach und dem Terrassendach des Nachbarn ein etwa dreißig Zentimeter breiter Abstand befindet. Diese Lücke ist mit einem unbeschichteten Aluminiumblech abgedeckt. Dieses Aluminiumblech ist an dem begutachteten Dach über einen Winkel, der als Auflager dient, verschraubt. Auf dem Nachbardach wurde versucht, den Winkel anzukleben. Diese Verklebung hat sich bereits großflächig gelöst. Eine so ausgeführte Abdichtung beziehungsweise Verklebung ist nicht fachgerecht. Ein Schaden am Terrassendach selbst ist nicht entstanden.
Fazit:
Legen Sie alle erforderlichen Nachweise vor
Die Anforderungen der DIN EN 1090 sind zu erfüllen. Dies setzt eine entsprechende Zertifizierung des Herstellerbetriebes voraus.
Zudem ist dann die Standsicherheit der Überdachung nachzuweisen. Dazu müsste die technische Planung aller notwendigen Details und Anschlüsse (Werkplanung) vorliegen. Wenn die Planungsunterlagen vorliegen, kann die bestehende Konstruktion bezüglich der Standsicherheit überprüft werden. Nach erfolgter Prüfung können mögliche Nachbesserungsarbeiten festgelegt werden.
Zusammenfassend stellt der Sachverständige für das Metallbauerhandwerk fest, dass anfallende Kosten für Nacharbeiten erst dann abgeschätzt werden können, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Baujahr: 2019
Schadensjahr: 2020
Karsten Zimmer, Bundesverband Metall (BVM)

Schadensfälle:
Eine Reihe von Schadensfällen zumThema Überdachungen sind in den Bänden 1 bis 4 „Schäden im Metallbau“aus dem Coleman-Verlag enthalten. Recherchieren können Sieauch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.

Handwerker-Radio:
Mehr aktuelle Schadensfälle können Sie im Handwerker-Radio (im Internetunter www.handwerker-radio.de) hören. In der Sendung „M&T Metall-produktiv“ werden jeden Dienstag und Freitag in der Zeit von 14 bis 15 Uhr unter anderem interessante Schadensfälle aus dem Metallbau besprochen.
Fachregelwerk:
Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik in den Kapiteln 1.4 Statik und Konstruktion und 2.20 Überdachungen.
Weitere Informationenzu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&TLeserservice, E-Mail: coleman@vuservice.de oder von Mo-Fr von 7:30 bis 17 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.