Besonders breiter seitlicher Zugang zum Laderaum: Diese Option mit fehlender B-Säule lässt sich auch in Kombination mit dem E-Antrieb wählen. (Quelle: Thomas Dietrich)

Betriebsführung

2. March 2023 | Teilen auf:

Nutzfahrzeuge: Elektro-Pioniere 2.0

In der Lieferwagenklasse gehörte der Renault Kangoo zu den Ersten, die einen Elektroantrieb bieten konnten – und auch der große Transporter Iveco eDaily ließ sich damals schon mit E-Antrieb ordern. Beide Nutzfahrzeuge haben inzwischen für das Modelljahr 2023 weitere wichtige Entwicklungsschritte vollzogen und dabei auch ihre steckerfertige Antriebstechnik in die Neuzeit überführt.

Mehr als elf Jahre sind vergangen, seitdem die Franzosen mit dem Renault Kangoo demonstriert haben, dass ein Lieferwagen nicht zwangsläufig mit einem Verbrenner motorisiert sein muss. Der Zusatz Z.E. stand für Zero Emission und wenn dieses Motto für den vermeintlich emissionsfreien Antrieb auch nicht lange unwidersprochen blieb, so etablierte sich das Kürzel dennoch über Jahre hinweg zu einer festen Größe, wenn man der Umwelt etwas Gutes tun wollte.

Baukastenprinzip: Konfigurationen für Verbrenner sollen auch mit dem E-Antrieb verfügbar sein, hier der eDaily mit 12 Kubikmeter im Laderaum und 190 Zentimeter Stehhöhe. (Quelle: Thomas Dietrich)
Modernes Cockpit: Das Instrumentenbord wirkt angenehm ausgereift und alltagstauglich, auch einem (wahlweise) mittleren Sitzplatz wird Beinfreiheit gewährt. (Quelle: Thomas Dietrich)

Pionierleistung ja, aber ...

Der Vielfalt im Angebot der leichten Nutzfahrzeuge hat diese Pionierleistung sicher gut getan. Nicht begeistert zeigten sich dagegen Nutzer des Fronttrieblers, die den technischen Angaben Glauben schenkten und sich aufgrund der Herstellerangabe für die Reichweite von 170 KIlometer auf der sicheren Seite fühlten – je nach Fahrweise sollten gar 200 KIlometer möglich sein. Um es kurz zu machen: Bei Winterwetter vermochte der Kangoo Z.E. der ersten Generation seinen flüsterleisen Betrieb mangels Power auch bereits bei weniger als 100 KIlometer einzustellen. Spätestens da ließ sich der allgemeine Wortschatz um den Begriff Reichweitenangst ergänzen ...

Renault hat daraus offenbar Lehren gezogen und jetzt für die zweite Generation des E-Antriebs ein Maßnahmenpaket geschnürt, das dem Nutzer deutlich mehr Möglichkeiten für seinen Aktionsradius offeriert.

Kangoo Rapid E-Tech Electric

Unter dieser neuen Bezeichnung ist der Kastenwagen zu den Renault-Händlern gekommen, zunächst in Normallänge mit 3,3 Kubikmeter hinter dem Trenngitter. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die um einen Kubikmeter größere Maxi-Version das Angebot ergänzen – so gibt es keine Unterschiede gegenüber den Verbrennern, die bereits im Frühjahr 2021 vorgestellt wurden.

An dieser Stelle sei nochmals die innovative Variante des Kangoo Rapid erwähnt, die auf der rechten Seite ohne B-Säule gebaut wird. Dadurch ergibt sich ein extremer, 145 Zentimeter breiter Ladezugang, wenn Beifahrer- und Schiebetür ganz geöffnet oder zurückgeschoben sind. Schwenkt man das Trenngitter um 90 Grad zum Fahrersitz, lässt sich 0,6 Kubikmeter an Frachtraum hinzugewinnen. Diese Option wird auch in Kombination mit dem Stromer angeboten.

Mit dem Entwicklungsschub für den E-Antrieb ist bedeutsam, dass sowohl die Leistung mit 90 Kilowatt/122 PS als auch der Akku mit 44 Kilowattstunden auf das Doppelte gegenüber dem Premierenmodell gesteigert wurde. Das soll laut Werk rechnerisch für 287 Kilometer reichen und im City-Betrieb dank Rekuperation eine noch längere Strecke möglich machen.

Endlich: optionale Schnellladung

Was für eine größere Kangoo-Reichweite bisher nicht verwirklicht wurde, ist jetzt zu haben: Neben der serienmäßigen 11-Kilowatt-Lademöglichkeit für die Wallbox (Ladezeit laut Hersteller 2:40 Stunden für 80 Prozent) gibt es optional in der Ausstattung Advance (circa 1800 Euro) eine 22 Kilowatt-Variante samt Flüssigkeitskühlung. Per CCS-Stecker soll so für 80 Prozent des Akkus eine Auffrischung binnen 1:30 Stunde erreicht werden können. Das ist zwar weit unter dem, was inzwischen für die Pkw-Sparte an einigen Schnellladesäulen möglich gemacht wird, aber gegenüber der ersten Stecker-Generation des Kangoo kann man das als Errungenschaft werten. Der Kangoo Rapid E-Tech Electric startet in der Liste mit knapp 34 000 Euro (Preise plus MwSt.)

Iveco eDaily – Optionen aus dem Baukasten

Keineswegs sahen sich die Entwickler für den italienischen Transporter gezwungen, passend zum allgemeinen Trend auch noch einen Elektroantrieb anzubieten. Das Gegenteil ist der Fall: Vor weit mehr als zehn Jahren, als sonst noch kein Dreieinhalbtonner mit E-Antrieb von europäischen Mitbewerbern angeboten wurde, konnte Iveco diese Besonderheit liefern. Die Preisvorstellung mochte man damals ungern kommunizieren, denn sie war eher utopisch hoch, doch wer schon 2011 den flüsterleisen Lastenträger haben wollte, fand ihn in der Daily-Reihe gelistet.

E-Antrieb für alle Versionen

Inzwischen haben die Ingenieure diesen Pionier auf die Erfordernisse der Neuzeit vorbereitet. Konkret bedeutet das: Die Leistung beim E-Antrieb beträgt 140 Kilowatt/190 PS und mit dem maximal 400 Newtonmeter starken Drehmoment kommen beim Fahrer keine Zweifel auf – das hat eine erste Testfahrt klären können.

Doch was als besonders zu werten ist, ist das Versprechen der Marke, dass der Entscheider bei seiner Konfiguration für den eDaily alle vergleichbaren Leistungsmerkmale vorfindet, die auch dem Hecktriebler mit Verbrenner zur Verfügung stehen. Damit sind etliche Frachtraumgrößen bis zu 19,6 Kubikmeter möglich, das zulässige Gesamtgewicht kann bis maximal 7,2 Tonnen reichen, Nutzlasten sind mit maximal 4,6 Tonnen (beim Fahrgestell) angegeben und die Anhängelast verkraftet bis zu 3,5 Tonnen. Auch kann die Hinterachse einzel- oder zwillingsbereift sein.

Leider steht keine detaillierte Preisliste mehr im Web zur Verfügung, doch mit der Konfiguration unter www.edaily.iveco.com lassen sich erste Eindrücke sammeln, was möglich sein kann, um den Transporter in Größe und Ausstattung nach Wunsch zu bestimmen – ohne durch Einschränkungen aufgrund der Antriebsart eingeengt zu sein. Letztlich ist aber der Weg zum Iveco-Stützpunkt unumgänglich, denn sonst lassen sich die vielen wählbaren Konfigurationen im Modelljahr 2023 und letztlich auch der Preis nicht ermitteln. Bei der Fülle aller Möglichkeiten ist Iveco mit Preisangaben zurückhaltend – online bekommt man zur Wunschkonfiguration keinen Preis angezeigt.

Akkupack erweiterbar

Der Energievorrat an Bord lässt sich ebenfalls auf unterschiedliche Art konfigurieren. Das Besondere: Selbst wenn der eDaily nur für die Tour durch die City mit einer Reichweite von 120 KIlometer (Berechnung gemäß WLTP) eingesetzt werden soll und deshalb auch nur mit dem kleinen Akkupaket (37 Kilowattstunden) und der Option für die Schnellladung mit 80 kW ausgestattet werden würde, wäre die Zukunft nicht verbaut. Dank des konsequent modularen Baukastensystems ließen sich auch noch nachträglich (bei passendem Radstand) zwei weitere Akkupakete gleicher Größe nachrüsten, so dass eine Tauglichkeit für die Langstrecke von etwa 300 KIlometer (Herstellerangabe gemäß WLTP) möglich werden würde.

zuletzt editiert am 02.03.2023