zerstörte Achse
Die gebrochene Achse wurde für die Werkstoffuntersuchung nochmals geteilt. (Quelle: Kania)

Schadensfälle 2024-03-01T08:44:21.954Z Schadensfall: Gefährlich unterdimensioniert

An einem serienmäßig hergestellten Ergometer war beim Gebrauch unvermittelt eine Welle gebrochen. Der Sachverständige sollte den Grund für den Wellenbruch feststellen. Lesen Sie hier, was er bei seinen Untersuchungen herausfand.

Auftraggeber für das Gutachten war ein Amtsgericht. Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden:

  • Zeigt die Welle am Ergometer im Material Fehler auf?
  • Wenn ein Fehler im Material der Welle des Ergometers vorliegt, ist dieser Fehler ausschlaggebend für den Bruch der Welle?
  • Ist das verwendete Material als Welle für ein Ergometer geeignet?
  • Worauf ist der Bruch der Welle am Gerät zurückzuführen?

Bei dem Gerät handelt es sich um ein Trimm-Gerät, einen sogenannten „Crosstrainer“. Bei der Nutzung des Gerätes brach die Verbindungsachse zwischen den beiden Schwungrädern am hinteren Teil des Trainers. Das Gerät war vorher mehr als zwei Jahre im Einsatz. Zu den dem Sachverständigen zur Verfügung gestellten Gerichtsakte gehörten auch zwei weitere Sachverständigengutachten (unter anderem zur Materialprüfung). Aufgrund der Untersuchungen im Werkstofflabor war die Achse geteilt und ein Stück Material entnommen worden.

Beachten Sie das Bruchaussehen

gebrochene Achse
Die Bruchstellen zeigen deutlich einen Ermüdungsbruch. (Quelle: Kania)

Das Foto der Achse zeigt linksseitig den Bruch. Für die Untersuchungen im Werkstofflabor wurde die Achse nochmals zersägt und rechtsseitig eine Materialprobe entnommen. Auch das Werkstofflabor kommt zu dem gleichen Ergebnis, dass die Welle keine Materialfehler aufwies. Der eingesetzte Werkstoff ist jedoch ein Einsatzstahl 17Cr3 mit der Werkstoffnummer 1.7016 und kein 19MnB4, wie in der Stückliste angegeben. Weiterhin wurde der eingesetzte Werkstoff im Oberflächenbereich gehärtet. Dieser Vorgang ist bei diesem Werkstoff üblich und gewollt, um eine harte, verschleißfeste Oberfläche und einen zähen Kern der Welle zu erhalten.

Es liegt kein Materialfehler vor. Der Werkstoff 17Cr3 wird üblicherweise, wie auch der 19MnB4 für Wellen und Bolzen eingesetzt.

Das Bruchbild der Welle zeigt einen Dauerbruch – auch Ermüdungsbruch genannt. Ein Dauerbruch tritt auf, wenn eine Überlastung des Bauteils eintritt. Von einem Ausgangsriss oder Kerbe verläuft der Riss über einen langen Zeitraum (bis zu mehreren Jahren) durch das Material. Im ersten Teilbereich des Bruches bleibt der Riss auch immer wieder stehen (Rastlinien), um dann im weiteren Verlauf seinen Gang weiterzuführen. Erst wenn der Querschnitt des Bauteils soweit geschwächt ist, dass die auftretenden Kräfte nicht mehr aufgenommen werden können, bricht der Rest des Bauteils spontan mit einem sogenannten Gewaltbruch.

Da die Werkstoffauswahl korrekt ist, bleibt die Überprüfung der Dimensionierung (Durchmesser) der Welle. Entweder ist die Welle unterdimensioniert (Durchmesser zu klein) oder es liegt eine Überlastung (unsachgemäße Bedienung, zum Beispiel durch Belastung mit mehreren Personen) durch den Anwender vor.

Berechnen Sie überschlägig

gebrochenen Achse
Bruchstelle von der Seite. (Quelle: Kania)

Um diese Fälle zu untersuchen, führe ich eine grobe Überschlagsrechnung der zulässigen Spannung durch. Durch diese Grenzbetrachtung wird klar, dass die Achse unterdimensioniert ist und selbst bei normaler Beanspruchung brechen kann. Nach Roloff/Matek „Maschinenelemente“ setzt man für die Biegespannung einer Welle folgende Formel an:

σbzul = σD x b1 x b2k x Ʋ

- mit der zulässigen Spannung σbzul

- σD = 390 N/mm² (aus Diagramm Roloff/Matek)

- b1 = 0,8 (Oberflächenbeiwert aus Roloff/Matek)

- b2 = 0,95 (Größenbeiwert für Querschnitte aus Roloff/Matek)

- ßk = 3 (Kerbwirkungszahl nach Roloff/Matek)

- Ʋ = 1,5 (Sicherheitswert nach Roloff/Matek)

Nach dem Einsetzen der Zahlenwerte in die Formel erhält man für die zulässige Biegespannung der Welle einen Wert von 66 N/mm².

Die vorhandene Spannung an der Oberfläche der Welle berechnet sich nach dem Ansatz:

σvorh = Mb/I x z

mit:

- Biegemoment Mb = 500 N x 100 mm = 50.000 Nmm

(Höchstbelastung 50 kg pro Trittbrett mit einem Hebelarm von 100 mm bis Schwungradmitte)

- Flächenträgheitsmoment I ≈ 3.500 N/mm4

- mit z = 8,5 mm (maximaler Abstand der Wellenoberfläche von der Mittelachse).

Nach dem Einsetzen der Zahlenwerte in die Formel erhält man für die vorhandene Biegespannung der Welle einen Wert von 121 N/mm².

Das heißt, bei den recht niedrig angesetzten vorhandenen Lasten (maximal 50 kg pro Trittbrett) übersteigt die vorhandene Spannung (121 N/mm²) die zulässige Spannung (66 N/mm²) bereits um das Doppelte.

Dabei wurde nur der statische Fall betrachtet. Unter Berücksichtigung der dynamischen Kräfte beim Treten der Trittbretter und Bewegen der Handhebel treten deutlich höhere Kräfte auf, als die vorhandenen statischen Kräfte. Beim Antreiben der Schwungräder treten weiterhin dynamische Torsionsmomente auf, die die vorhandenen Spannungen in der Welle erhöhen. Auch diese Kräfte wurden bei dieser Grenzbetrachtung nicht berücksichtigt.

Der Bruch der Welle ist eindeutig auf die Unterdimensionierung der Welle zurückzuführen.

Fazit: Dimensionieren Sie richtig

Die grobe Überschlagsrechnung, selbst ohne Betrachtung der dynamischen Kräfte zeigt, dass bei normaler Nutzung des Gerätes eine Dauerfestigkeit der Welle nicht gegeben ist.

Zusatzinfos

Wo Sie mehr erfahren!

Handwerkerradio: Mehr aktuelle Schadensfälle können Sie im Handwerkerradio (im Internet unter www.handwerker-radio.de) hören. Dort werden regelmäßig unter anderem interessante Schadensfälle aus dem Metallbau besprochen.

Fachregelwerk: Wichtige Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik in den Kapiteln 1.4 Statik und Konstruktion und 1.6.1 Stahl. Weitere Informationen zu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&T-Kundenservice, E-Mail: coleman@vuservice.de oder von Mo-Fr von 7:30 bis 17 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.

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Baujahr: 2006

Schadensjahr: 2008

zuletzt editiert am 26. März 2024