beschädigtes Maschinenbauteil
Dieser Lift stürzte zusammen mit dem Bildschirm ab und verletzte eine Person schwer. (Quelle: Finke)

Technik 1. March 2023 Schadensfall: Gefährlicher Maschinenfehler

Die Mechanik und Elektronik einer teleskopierbaren Standsäule eines Bildschirms in einem Schulungsraum versagte und verletzte beim Herabstürzen eine Person erheblich. Der Sachverständige ermittelte einen funktionslosen Endschalter und einen Montagefehler beim Schalterstecker als Schadensursachen.

Mit Hilfe einer Fernbedienung oder einer manuellen Schalterbedienung konnte ein Bildschirm durch einen Lift in die Höhe gefahren, beziehungsweise abgesenkt werden. Am Schadenstag kam es zu einer Funktionsstörung der Anlage, die zu einem schweren Unfall führte. Durch das plötzliche Herabschnellen des Liftschlittens wurde eine Person vom Bildschirm getroffen und erheblich verletzt. Es wurden Kosten für Genesungsmaßnahmen und Arbeitsausfall in Höhe von 55.000 Euro geltend gemacht. Der Materialschaden belief sich auf eine mittlere vierstellige Summe.

Berücksichtigen Sie die Maschinenrichtlinie

Der Sachverständige nutzte als Leitfaden für die Untersuchung des Vorfalls für kraftbetätigte Objekte die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL). In diesem Regelwerk sind unter anderem die Dokumente (technische Zeichnungen, Schaltpläne etc.) aufgelistet, die der Hersteller vorlegen muss. Darüber hinaus kann das Gericht anordnen, dass ein mit der Klärung der technischen Details beauftragter Sachverständiger weitere Dokumentationen, wie die vom Hersteller zwingend durchzuführende Risikobeurteilung, detailliert prüfen muss. Die Anlage verfügte über eine CE-Kennzeichnung nach den Vorgaben der MRL. Im einwandfreien Zustand lassen sich die Bauteile solcher Maschinen teleskopartig über eine Zahnstange und einen Seilzug in Verbindung mit einem Zahnrad in die gewünschte vertikale Position hochfahren und absenken.

Ein funktionsloser Endschalter

Defekter Elektroanschluss
Die Litzen am Schalterstecker spleißen ab und führen zu ungewollten Kontakten. (Quelle: Finke)

Bei der Begutachtung kam es bereits bei der ersten, durch den Schalter ausgelösten Fahrt, nach hundert Millimeter zurückgelegtem Hub zum schlagartigen Herabschnellen des Liftschlittens. Bei weiteren Versuchen wiederholte sich der Fehler in unterschiedlichen Höhen. Bei der Untersuchung wurden folgende Fehlfunktionen innerhalb der Steuerung und Defekte an Bauteilen festgestellt: Bei der Aufwärtsfahrt des Liftschlittens wurde die Fahrt nicht, wie laut Planungsunterlagen vorgesehen, durch einen Fahrwegbegrenzer (Funktionsschalter) gestoppt, sondern erst durch das Anfahren an die Bauteilbegrenzung. Am Schalter zeigten sich mehrere Unregelmäßigkeiten. Plastische Verformungen an weiteren Bauteilen wiesen darauf hin, dass es bereits des Öfteren zu dieser Fehlfunktion gekommen sein musste. Dabei drückten die fahrbaren Elemente für wenige Sekunden an die Bauteilbegrenzung, bis der Antriebsmotor durch die Aktivierung einer Überlastschaltung die Fahrt vollständig unterbrach. Während der Belastungszeit wirkten im Korpus der Maschine große Kräfte. Bei der Untersuchung stellte der Sachverständige fest, dass ein Anfahren an die Bauteilbegrenzung eigentlich systembedingt durch einen Höhenendschalter ausgeschlossen sein sollte. Die Hublänge sollte durch das Anfahren dieses Endschalters begrenzt sein und nach Auslösen sollte der Schlitten zur Entlastung um dreißig Millimeter reversieren. Ein solcher Endschalter war auch vorhanden, er hatte jedoch keine Funktion. Als Absicherung war ein Überlastschalter eingebaut. Der war jedoch so eingestellt, dass er erst aktiv wurde, nachdem bereits erhebliche Kräfte auf den Korpus eingewirkt hatten. Abwärtsfahrten wurden von einem baugleichen Endschalter, wie vom System vorgesehen, ausnahmslos gestoppt.

Achten Sie auf korrekte Anschlüsse

Endschalter
Der Stellring hat den oberen Endschalter passiert ohne dass dieser ausgelöst hat. Er drückt in dieser Position erheblich auf die Umlenkrolle. (Quelle: Finke)

Neben den beschriebenen Funktionsstörungen wurden bei der Untersuchung eine weitere Unregelmäßigkeit entdeckt: Nachdem der Schlitten den oberen Endschalter passiert hatte, ohne dass dieser auslöste, und die Fahrt erst durch das Aktivieren des Überlastschalters vollständig abgebrochen wurde, fuhr der Schlitten nach Auslösen des Senkvorgangs, statt abwärts, wiederum in die Höhe und gegen die Bauteilbegrenzung. Dieses Verhalten wurde durch eine fehlerhafte Stecker-Kabelverbindung am Schalter hervorgerufen. Die flexiblen Adern des dreipoligen Tastersteckers lösten, durch Abspleißen von einzelnen Litzen, Fehlfunktionen aus. Die Drähte verbanden sich quasi nach dem Zufallsprinzip und lösten je nach Verbindung die Bewegung des Schlittens nach oben oder unten aus. Bei der Konstruktion der Steuerung wurden der Kabelquerschnitt und das Klemmvermögen des Steckers nicht optimal aufeinander abgestimmt. Die Crimpung war nicht in der Lage alle Litzen aufzunehmen und die überstehenden Drähte lösten den ungewollten Kontakt aus. Je öfter diese Fehlfunktion ausgelöst wurde, je häufiger wiederholte sich auch das gewaltsame Anfahren an die Bauteilbegrenzungselemente. Letztendlich war dann ein defektes Zahnrad für das abrupte Abstürzen des Liftschlittens die direkte Ursache für den Unfall. An dem Zahnrad waren mehrere Zähne abgebrochen. Gelangte das Zahnrad während der Drehbewegung in eine Stellung zur Zahnstange, in der wegen der fehlenden Zähne kein Eingreifen erfolgte, war erstens kein Auftrieb oder Abtrieb möglich und zweitens war keine Hemmung vorhanden, die verhinderte, dass die 18 Kilogramm von Liftschlitten und Bildschirm schlagartig abwärts gleiten konnten.

Fazit: Führen Sie immer eine Risikoanalyse durch

Das Versagen eines dieser Bauteile, Zahnrad oder Zahnstange, wurde bei der Konstruktion der Maschine anscheinend nicht in Betracht gezogen, beziehungsweise in der Risikobeurteilung nicht bedacht. In der Anlagenkonstruktion war keine Vorrichtung vorhanden, die für diesen möglichen Fall ein Abstürzen der Schlitten verhindern konnte. Für die Vermeidung von Unfällen, verursacht durch eine Maschine, ist eine Risikoanalyse und Bewertung aller Funktionen und Elemente auf Gefahren durchzuführen. Die daraus erkennbaren Risiken sind durch geeignete Maßnahme zu eliminieren beziehungsweise zu minimieren. Das Restrisiko ist in der Gebrauchsanleitung eindeutig auszuweisen und zu erklären.

Im Rahmen der WPK (Werkseigenen Produktionskontrolle) müssen Toleranzen genannt sein. Jeder Montageschritt muss mit der Feststellung des erreichten Soll-Zustands abgeschlossen werden. Dadurch werden unkorrekt eingestellte Elemente und Montagefehler bereits während der Herstellung entdeckt und können abgestellt werden.

Wo Sie mehr erfahren

Handwerkerradio: Mehr aktuelle Schadensfälle können Sie im Handwerkerradio (im Internet unter www.handwerker-radio.de) hören. In der Sendung „M&T Metall-produktiv“ werden jeden Dienstag von 14:00 bis 15:00 Uhr und Freitag von 11:00 bis 12:00 Uhr unter anderem interessante Schadensfälle aus dem Metallbau besprochen.

Schadensfälle: Eine Reihe von Schadensfällen zum Thema ist in den Bänden 1 bis 5 „Schäden im Metallbau“ aus dem Coleman-Verlag enthalten. Recherchieren können Sie auch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.

Fachregelwerk: Wichtige Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik im Kapitel 1.3.2 Maschinenrichtlinie. Weitere Informationen zu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&T-Kundenservice, E-Mail: coleman@vuservice.de oder von Mo-Fr von 7:30 bis 17 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.

Podcast: Spannung für die Ohren und den Kopf verspricht der M&T Podcast mit einem hörbaren Einblick in zahlreiche Schadensfälle. Verfügbar sind bereits mehr als dreißig Fälle auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Anchor, Apple Podcast, Spotify oder Google Podcast.

Baujahr: 2018

Schadensjahr: 2018

Regelwerk: Maschinenrichtlinie 2006/42/EG

zuletzt editiert am 28.03.2023