Korrodierte Edelstahltürstoßgriffe
Die beanstandeten Türstoßgriffe an den Haustüren und Nebentüren. (Quelle: Finke)

Technik 2. May 2023 Korrosion auf Edelstahl

In einer Ferienhaussiedlung, die in unmittelbarer Nähe zur Ostseeküste gelegen ist, zeigten sich an den Türstoßgriffen aus nichtrostendem Stahl der 58 Einzelhäuser schon nach einem Jahr deutliche Korrosionsspuren. Der Sachverständige wurde bei der Ursachenforschung fündig. Lesen Sie hier die Ergebnisse seiner Begutachtung.

Der Bauunternehmer wollte mit dem Sachverständigengutachten Bedenken der Immobilienkäufer begegnen, die infrage stellten, dass die Korrosionsbeständigkeit der Türstoßgriffe dem allgemeinen anerkannten Stand der Technik entspräche. Der Metallbaubetrieb ging bei den verwendeten Werkstoffen von einem hochlegierten CrNi-Stahl aus, der der Korrosivitätsklasse II entspricht. In Anlehnung an die bauaufsichtliche Zulassung Z-30.3-6 setzte das Unternehmen voraus, dass alle Edelstahlbauteile ständig einsehbar sind und im üblichen Rahmen gereinigt und gepflegt werden, so dass die Elemente auch in maritimer Atmosphäre korrosionsbeständig sind.

Pflegen Sie Edelstahl

Laut Auftragsspezifikation bestanden die Türstoßgriffe aus einem Chrom/Nickel-Stahl mit nicht näher bekannter chemischer Zusammensetzung.

Im Rahmen des Ortstermins wurden auf den Oberflächen der Elemente zwei Korrosionsarten festgestellt:

  • An den Verbindungsstellen der vertikal verlaufenden Rohrstangen, den eigentlichen Griffen und den horizontal im Neunzig-Grad-Winkel dazu verlaufenden Türanschlussprofilen war Spaltkorrosion vorhanden.
  • Auf der gesamten Oberfläche der Griffe waren Korrosionserscheinungen in Form von grau/braunen Flecken zu beobachten.

Die vorhandene Spaltkorrosion deutete auf zu geringe Korrosionsbeständigkeit des Werkstoffs in Kombination mit einer Unregelmäßigkeit bei der Fertigung hin. Das betraf das Einschleifen der Anschlussrundung. Dort wurde vermutlich mit zu hoher Drehzahl und zu großer Wärmeentwicklung geschliffen.

Die Korrosionserscheinungen auf den Oberflächen deuteten ebenfalls auf eine zu geringe Korrosionsbeständigkeit des Werkstoffs hin. Verstärkt wurde dieser Effekt durch eine mangelnde Pflege des Bauteils und eine ungünstige Erzeugung des Schliffbilds.

Ein Kriterium für die Bewertung der Korrosionsbeständigkeit ist die chemische Zusammensetzung des Grundmaterials. Um diese zu bestimmen, wurde ein baugleiches neuwertiges Element (originalverpackt) analysiert. Laut chemischer Analyse konnte das verwendete Material der Werkstoffgruppe 1.4301 nach DIN EN 10088-2 zugeordnet werden. Eine durchgeführte Stückanalyse wies folgende Besonderheiten auf:

Der Schwefelgehalt des untersuchten Materials lag bei 0,019 Prozent und überstieg den in der DIN EN 10088-2 erklärten zulässigen Höchstwert von ≤ 0,015 Prozent um 0,004 Prozent. Das Material verfügte über einen Kupferanteil von 0,66 Prozent. Für das Element Kupfer sind in der DIN EN 10088-2 keine zulässigen Höchstwerte erklärt. Aus technischer Sicht muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich beide Besonderheiten korrosionsfördernd auswirken können.

Achten Sie auf die Rauheit

Korrodierte Edlstahltürsstoßgriffe
Die Korrosion ist schon nach einem Jahr auf der gesamten Oberfläche zu beobachten. In den Spalten entand durch Verarbeitungsfehler Spaltkorrosion. (Quelle: Finke)

Ein weiteres Kriterium für die Bewertung der Korrosionsbeständigkeit ist die Oberflächenbeschaffenheit. Grundsätzlich gilt: Je feiner die Oberflächenrauheit hergestellt wird, umso größer ist der Widerstand gegen Umwelteinflüsse. Bei einer maximal vorhandenen Mittenrauheit (Ra) (relevanter arithmetischer Mittenrauheitswert) von ˂ 0,5 Mikrometer ergibt sich eine wirksame Korrosionsbeständigkeit. Bei Werten ≥ 0,5 Mikrometer erhöht sich die Korrosionsanfälligkeit signifikant.

Bei den korrodierten Griffen wurden Werte zwischen 0,57 und 0,63 Mikrometer festgestellt. Die Verwendung von Bauteilen bei maritimen Umweltbedingungen kombiniert mit der vorhandenen Oberflächenbeschaffenheit ist in diesem Punkt als kritisch anzusehen.

Der verwendete Werkstoff 1.4301 ist in der Korrosivitätsbeständigkeitsklasse (CRC) II eingeordnet. Laut Regelwerk müssen bei maritimen Umwelteinflüssen Materialien verwendet werden, die in CRC III oder höher angesiedelt sind. Die Annahme des Metallbauers, die geeignete Werkstoffauswahl um eine Klasse mindern zu können, wenn die Bauteile vollständig einsehbar sind und in üblicher Weise gepflegt werden, hat seine Berechtigung, ist jedoch nur bedingt richtig. Diese Vorgehensweise wurde auf Basis eines heute nicht mehr aktuellen Regelwerks praktiziert. Das heißt nach Einführung des Eurocode 3 (EC3)-1-4 im Jahr 2015 wird die Auswahl der verwendeten Werkstoffe regelkonform nach dem in diesem Regelwerk beschriebenen Auswahlverfahren getroffen. Der EC 3 gilt für tragende Bauteile! Das Korrosionsverhalten von tragenden Bauteilen und nichttragenden Bauteilen unterscheidet sich werkstoffbedingt nicht. Aus diesem Grund wurden vom Sachverständigen die Bewertungskriterien für das Korrosionsverhalten der Türstoßgriffe von diesem Regelwerk abgeleitet.

Wählen Sie den passenden Werkstoff

Tabelle mit Werkstoffkenndaten
Die Ergebnisse der Werkstoffanalyse. Bemerkenswert sind der erhöhte Schwefelgehalt von 0,019 Prozent und der Kupferanteil von 0,66 Prozent. (Quelle: Finke)

Die weiterhin parallel zu diesem Teil des EC3 gültige bauaufsichtliche Zulassung Z-30.3-6 beinhaltet seit der Ausgabe 2017 die Möglichkeit der Abminderung der Korrosivitätsbeständigkeitsklasse in dieser Form nicht mehr. Nach dem zum Zeitpunkt des Schadensfalles gültigen Regelwerk (DIN EN 1993-1-4 (EC3)) wird bei der Auswahl des Werkstoffs zunächst ein Korrosionsbeständigkeitsfaktor (CRF) gebildet. Der beträgt bei Objekten, die in Meeresnähe eingesetzt werden (Entfernung zum Meer zwischen 250 und 1.000 Meter) -7. Das bedeutet: hohes Expositionsrisiko!

Weiterhin erklärt dieses Regelwerk, dass bei CRF -7 ein Werkstoff aus der Korrosionsbeständigkeitsklasse (CRC) III zu wählen ist. Der verwendete Werkstoff genügt aber lediglich der CRC-Klasse II. Deshalb war die Werkstoffauswahl für diese Bedingungen falsch.

Da es sich bei den Stoßgriffen nicht um tragende Teile handelt, könnte man versuchen, für die bereits eingebauten Stoßgriffe ein Reinigungskonzept zu entwickeln. Allerdings ist das voraussichtlich bei diesem Werkstoff kombiniert mit der ungünstigen Oberflächenbeschaffenheit nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Für die bereits eingebauten Elemente gilt: Die mit Spaltkorrosion behafteten Türstoßgriffe müssen demontiert (und ausgetauscht) werden. Die vorhandenen Korrosionsspuren auf den durch Schleifen bearbeiteten Flächen müssen fachgerecht beseitigt werden, so dass sich eine schützende Chromoxidschicht zeitnah ausbilden kann. Die so bearbeiteten Türgriffe können dann eventuell noch unter weniger aggressiver Atmosphäre eingesetzt werden.

Fazit: Setzen Sie den richtigen Werkstoff ein

Die durch den Sachverständigen begutachteten Türstoßgriffe sind korrodiert. Sie wurden aus einem „unsauberen“ austenitischen Edelstahl (1.4301) teilweise nicht fachgerecht (ungünstiges Oberflächenschliffbild), gefertigt. Die Stoßgriffe müssen gegen, für die Verhältnisse geeignete Bauteile, ausgetauscht werden. Die im Bestand befindlichen geschädigten Elemente müssen überarbeitet werden und können dann unter Umständen an anderer Stelle, bei weniger belasteter Atmosphäre eingesetzt werden. Letztlich war die falsche Werkstoffauswahl gepaart mit nicht fachgerechter Verarbeitung die Schadensursache.

Wo Sie mehr erfahren

Schadensfälle: Eine Reihe von Schadensfällen zum Thema Edelstahl ist in den Bänden 1 bis 5 „Schäden im Metallbau“ aus dem Coleman-Verlag enthalten. Recherchieren können Sie auch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.

Fachregelwerk: Wichtige Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik im Kapitel 1.6.2 Nichtrostender Stahl. Auch die Zulassung, die Norm und das Merkblatt sind im Fachregelwerk im Volltext enthalten. Weitere Informationen zu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&T-Kundenservice, E-Mail: coleman@vuservice.de oder von Mo-Fr von 7:30 bis 17 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.

Baujahr: 2021

Schadensjahr: 2022

Regelwerk: Z-30.3-6, DIN EN 1993-1-4/A2, MB 828 Korrosionsbeständigkeit nichtrostender Stähle an der Atmosphäre, ISER.

Arbeiten Sie mit den Werkszeugnissen

Wie dieser Schadensfall zeigt, ist es wichtig, sich die Werte im Werkszeugnis genau anzuschauen und mit den vorgegebenen Toleranzen in der DIN EN 10088 abzugleichen. Deshalb die Empfehlung: Arbeiten Sie mit dem Zeugnis.

zuletzt editiert am 01.06.2023