Bild eines Glasvordaches
Für dieses Vordach sind bis auf die Gewindestangen und den Injektionsmörtel alle verwendeten Bauprodukte nicht durch entsprechende Verwendbarkeitsnachweise abgedeckt. (Quelle: BVM)

Schadensfälle 1. July 2022 Schadensfall: Nur mit Verwendbarkeitsnachweis

(Juli 2022) Der Sachverständige sollte ein Gutachten über eine Vordachkonstruktion erstellen, musste letztlich aber auch die Frage nach den bauaufsichtlichen Anforderungen beantworten. Lesen Sie, zu welchem Ergebnis er kam.

Bei diesem Schadensfall war der Sachverständige für das Metallbauerhandwerk vom Amtsgericht beauftragt worden, ein Gutachten über eine Vordachkonstruktion an einem Wohnhaus zu erstellen. Beantwortet werden sollte ursprünglich die Frage, ob das Dach keine gleichmäßige Neigung aufweist, sondern eine Senke hat, die zu einem ungleichmäßigen Wasserabfluss mit entsprechendem Schwemmbild führe. Es ging letztlich aber auch um die Frage nach den bauaufsichtlichen Anforderungen an das Vordach.

Beachten Sie, wer der Hersteller ist

Bei dem Vordach handelte es sich um eine an acht Stellen punktförmig horizontal gelagerte Einfachglasscheibe, die als auskragendes Vordach den Eingangsbereich des Wohnhauses schützen soll.

Die Scheibe hat eine Länge von 3.140 Millimeter und eine Breite von 1.000 Millimeter. Die Scheibe besitzt acht Bohrungen. Diese werden genutzt, um über Tellerhalter die Scheibe auf vier Edelstahl-Rundrohren aufzulagern. Die vier Edelstahl-Rundrohre wurden über Ronden durch die Klinkerschale mit der tragenden Wand des Wohnhauses verbunden.

Das Vordach wurde individuell für den Kunden hergestellt und besteht aus Einzelkomponenten. Der Metallbauer ist in diesem Fall also Hersteller. Er muss deshalb bestätigen, dass die Bauprodukte, die Verwendung gefunden haben, den jeweiligen Bestimmungen der technischen Regel, der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, dem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis oder der Zustimmung im Einzelfall entsprechen. Dies hat er in einer Übereinstimmungsbestätigung gemäß Landesbauordnung nachzuweisen. Zu überprüfen sind also die einzelnen Vordachkomponenten: Glasscheibe, Tellerhalter, Kragarme und die Komponenten für die Befestigung im Mauerwerk (Gewindestangen nebst Scheiben und Muttern sowie Befestigungsmedium dieser Gewindestangen).

Scheibe der Überkopfverglasung

Glasvordach an einer Hauswand
Im Bereich des dritten Trägers von links ist eine Senke vorhanden, die zu einem ungleichmäßigen Wasserabfluss führt. (Quelle: BVM)

Bei der Scheibe handelt es sich um eine VSG-Scheibe aus zweimal TVG (teilvorgespanntes Glas) mit einer jeweiligen Dicke von acht Millimetern und viermal Folie mit 0,38 Millimeter Dicke (gleich 1,52 Millimeter). Die Gesamtdicke dieser Scheibe beträgt somit 17,52 Millimeter. Die in ihr eingebrachten acht Bohrungen haben einen Durchmesser von 22,0 Millimeter. Sie sind in vier Achsen als Zweiergruppe angeordnet. Die größten Stützweiten sind 985 Millimeter und 700 Millimeter.

Die Eigenschaften der Scheibe, die Dimensionierung, die Anzahl, Lage und Größe der Bohrungen für die Tellerhalter hat der DIN 18008-3 Glas im Bauwesen; Bemessungs- und Konstruktionsregeln; Teil 3: Punktförmig gelagerte Verglasungen zu entsprechen. In DIN 18008-3, Tabelle 2 ist der Zusammenhang von Tellerdurchmesser, Glasdicke und Stützweiten dargestellt. Mit den genannten Stützweiten ergibt sich eine notwendige Glasdicke von zwei mal acht Millimeter TVG und ein erforderlicher Tellerdurchmesser von siebzig Millimeter. Die Scheibe muss eine entsprechende Zulassung vom Glashersteller haben, die über den Stempel im Glas identifizierbar ist.

Die Recherche zu der Zulassung der Scheibe ergab, dass diese in der vorgefundenen Größe und im Aufbau grundsätzlich die Forderungen gemäß DIN 18008-3 erfüllt, die Zulassung jedoch seit 2012 abgelaufen ist und nicht verlängert worden war.

Tellerhalter

Die eingesetzten Tellerhalter haben einen Durchmesser von fünfzig Millimeter. Sie sind über eine starr verbundene Gewindestange nebst Distanzhülsen mit den Kragarmen verbunden. DIN 18008-3 gibt für diesen Anwendungsfall einen Tellerdurchmesser von siebzig Millimeter vor. Die Tellerhalter müssen zudem für Horizontalverglasungen (Dachverglasungen) zugelassen sein, was eine gelenkige Lagerung voraussetzt.

Kragarme aus nichtrostendem Rundrohr

Die Rundrohre aus nichtrostendem Stahl haben einen Außendurchmesser von 48,3 Millimeter, eine Wanddicke von 3,6 Millimeter und eine Gesamtlänge von 950 Millimeter. Als Wandanschluss dient eine angeschweißte Ronde mit einem Außendurchmesser von etwa 140 Millimeter. In diese Ronde sind drei Bohrungen mit einem Durchmesser von 13,3 Millimeter eingebracht. Das Bohrbild bildet ein gleichschenkliges Dreieck mit einer Länge von etwa neunzig Millimeter Bohrlochmitte/-mitte.

Die Kragarme sind nach DIN EN 1993 zu dimensionieren und bedürfen, egal ob Zukaufteile oder selbst hergestellt, einer Ü-Kennzeichnung. Der herstellende Betrieb muss zumindest im Besitz eines Schweißzertifikates sein, um die ausgeführten Schweißarbeiten durchführen zu dürfen. Weder zur Frage nach der statischen Bemessung noch zum Schweißzertifikat (oder einer Zertifizierung nach EN 1090-1) wurden vom Metallbauer Angaben gemacht.

Gewindestangen als Ankerstangen

Die Dimensionierung dieser Gewindestangen und der dazugehörigen Verschraubung ist ebenfalls nur über die Berechnung möglich. Sinngemäß gelten die gleichen Vorgaben wie bei den Kragarmen.Zu den Gewindestangen wurde eine entsprechende Zulassung vorgelegt.

Injektionsmörtel

Auch dabei ist wieder vorzugeben, welcher Typ Injektionsmörtel verwendet werden soll. Der Injektionsmörtel benötigt eine Zulassung, die vom Metallbauer vorgelegt wurde.

Befestigung am Mauerwerk

Der Metallbauer versicherte, dass die Gewindestangen durch die Vorsatzschale in das tragende Mauerwerk eingebaut wurden. Das wurde überprüft und bestätigt. Eine statische Bemessung der Befestigung wurde jedoch nicht vorgelegt.

Erforderlich ist jedoch eine technische Klärung der Befestigungsart mit eindeutiger Identifizierung des Mauerwerktyps und, bei zweischaligem Mauerwerk, eine Lösung der Befestigung allein an der tragenden Innenschale ohne Beanspruchung der Vorsatzschale (nichttragende Außenschale).

Es fehlt eine druckfeste Verbindung der Ronden der Kragarme zum tragenden Mauerwerk. Die Vorsatzschale darf keinen Druck erfahren. Die vorgefundene Montage übt aber genau diesen unzulässigen Druck auf die Vorsatzschale aus. Es besteht die Gefahr, dass die Außenschale durch die Andruckkraft der Verschraubungen nach innen in Richtung der tragenden Wand gedrückt wird. Sie entspricht somit nicht den einschlägigen Normen beziehungsweise den „Allgemein anerkannten Regeln der Technik“.

Festgestellt wurden zudem die beanstandeten unterschiedlichen Neigungswinkel der Kragarme. Besonders der dritte Kragarm (von außen gesehen von links) weist einen ungleich größeren Neigungswinkel auf (die Neigungen von links gemessen: 2,2; 2,4; 3,1; 2,8 Grad).

Mit einem Nivelliergerät konnte festgestellt werden, dass dieses Vordach insgesamt ein leichtes Gefälle nach rechts in Richtung des vierten Kragarms hat. Weiter wurde festgestellt, dass es im Bereich des dritten Kragarms eine Senke von minus 15 Millimeter gibt.

Fazit:

Verwendbarkeit nicht nachgewiesen

Bis auf die Gewindestangen und den Injektionsmörtel sind alle verwendeten Bauprodukte nicht durch entsprechende Verwendbarkeitsnachweise abgedeckt. Die Zulassung der Scheibe ist nicht mehr gültig. Die verwendeten Tellerhalter sind für diese Überkopfverglasung nicht zugelassen. Es fehlt der statische Nachweis über die Tragfähigkeit der Kragarme. Es fehlt der Befähigungsnachweis der durchgeführten Schweißarbeiten, sofern die Kragarme und Ronden nicht als komplette Einheit zugekauft worden sind. Egal ob zugekauft oder selbst hergestellt, fehlt die Übereinstimmungserklärung des Herstellers nebst Ü-Kennzeichnung.

Es fehlt der statische Nachweis über die Befestigung, insbesondere die druckfeste Verbindung der Ronden der Kragarme zur tragenden Innenwand. Die Klinker-Vorsatzschale darf keinen Druck erfahren. Gemäß DIN EN 1996 Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten gehört diese Vorsatzschale zu den nichttragenden Wänden.

Das Dach weist keine gleichmäßige Neigung auf. Im Bereich des dritten Trägers (von links gesehen) ist eine Senke vorhanden, die zu einem ungleichmäßigen Wasserabfluss führt.

Baujahr/Schadensjahr: 2021

Karsten Zimmer, Bundesverband Metall (BVM)

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Schadensfälle:

Eine Reihe von Schadensfällen zum Thema „Vordächer“ ist in den Bänden 1 bis 5 „Schäden im Metallbau“ aus dem Coleman-Verlag enthalten. Recherchieren können Sie auch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.

Fachregelwerk:

Wichtige Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik in den Kapiteln 1.10 Konstruktiver Glasbau und 2.21 Vordächer.

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zuletzt editiert am 29.07.2022