(Oktober 2022) An einer zweiflügligen Hebe-Schiebe-Türanlage monierte der Nutzer zu hohe Bedienkräfte. Tatsächlich waren zum Öffnen und Schließen der Anlage 110 Newton erforderlich - auch bedingt durch die hohen Glasgewichte der Dreifachverglasung. Der Sachverständige fand allerdings eine Reihe von Montagemängeln als Ursache.
Bei einem Eigenheim war im Übergang vom Wohnzimmer zur Terrasse eine zweiflüglige Hebe-Schiebe-Türanlage (HST) aus Aluminium eingebaut worden. Die Anlage (Breite 3.980 Millimeter; Höhe 2.725 Millimeter) bestand aus einem beweglichen und einen feststehenden Flügel. Das Element verfügte über eine Dreifachverglasung. Das Gewicht des beweglichen Flügels war mit 264 Kilogramm dementsprechend hoch. Zum Anheben des Türflügels über den Türgriff mussten sechzig Newton aufgewendet werden. Zum Auf- und Zuschieben der Tür war eine Kraft von 110 Newton erforderlich.
Der Eigenheimbesitzer rügte die zum Öffnen und Schließen des Türflügels erforderlichen Bedienkräfte. Er empfand sie als deutlich zu hoch und hatte mit solch hohem Kraftaufwand für die Türbedienung nicht gerechnet. Er war der Meinung, der ausführende Betrieb hätte ihn darüber aufklären müssen. Außerdem könnten die beiden Kinder die Tür gar nicht öffnen und schließen. Der Bauherr hatte Bedenken, dass die Kinder in einer Gefahrensituation nicht von alleine ins Freie gelangen könnten.
Achten Sie auf den lotrechten Einbau

Beim Vororttermin wurden durch den Sachverständigen zunächst Maßabweichungen der Spaltgeometrie zwischen dem oberen Türriegel und dem feststehenden Teil des Elements zu dem oberen Querriegel des Blendrahmens festgestellt. Das Nennmaß betrug zwanzig Millimeter. Tatsächlich wurde in den Elementecken ein Maß von 19 Millimeter gemessen. Der Spalt verringerte sich zur Elementmitte auf 13 Millimeter. Eine Überprüfung ergab, dass der Querriegel des Blendrahmens „durchhing“.
Allgemein war das Element lot- und waagerecht eingebaut worden. Insbesondere die Laufschiene verlief exakt waagerecht. Die Diagonalen passten, so dass auch die Rechtwinkligkeit der Einzelteile gegeben war.
Bei den durchgeführten Öffnungs- und Schließvorgängen fiel zunächst der „gefühlt“ erhebliche Kraftaufwand auf, der aufgebracht werden musste, um die Tür zu öffnen und zu verschieben. Messungen ergaben die oben genannten Werte.
Der Systemgeber gab ausschließlich für den Verschiebevorgang des Türflügels die erforderliche Bedienkräfte an. Die lagen bei einem Flügelgewicht bis 270 Kilogramm bei maximal 82 Newton (gegenüber gemessenen 110 Newton).
Die ungleichmäßig vorhandene Spaltgeometrie war auf jeden Fall eine nicht hinzunehmende Unregelmäßigkeit.
Es stellte sich dann die Frage, ob diese Abweichung vom Soll-Zustand Auswirkungen auf die Bedienkräfte hatte. Die lagen schließlich um etwa vierzig Prozent über den Angaben des Systemgebers.
Das eingesetzte Portalelement war nachweislich in Kombination mit dem System geprüft worden und bis zu einem Flügelgewicht von 440 Kilogramm zugelassen.
Bei der weiteren Untersuchung zeigte sich dann, dass sich der Türflügel nicht aus dem Rahmen entnehmen ließ. Um das zu ermöglichen, wäre im angehobenen Zustand ein Spaltmaß von neun Millimeter erforderlich gewesen. Da in der Elementmitte im abgesenkten Zustand lediglich 13 Millimeter vorhanden waren und die Hubhöhe beim Anheben der Tür systembedingt sechs Millimeter betrug, ergab sich dann eine Spaltbreite, die an der schmalsten Stelle nur noch sieben Millimeter betrug. Es fehlten zwei Millimeter Spielraum, um den Türflügel entnehmen zu können.
Ein Türflügel muss sich aber zu Wartungszwecken, Reparaturarbeiten oder sonstigen Anlässen ausbauen lassen können. Dass das nicht funktionierte, war eine weitere Unregelmäßigkeit.
Berücksichtigen Sie den Befestigungsgrund

Beim Einsehen der Werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) des Herstellers, die von der Produktnorm zwingend gefordert ist, zeigte sich, dass in den Fertigungsunterlagen kein Toleranzsystem ausgewiesen war. Erklärt war in Bezug auf die Spaltgeometrie lediglich das Nennmaß mit zwanzig Millimeter als Sollmaß. Folglich konnte bei der Herstellung gar nicht entschieden werden, bei welchem Abmaß das System nicht mehr funktionierte.
Zur weiteren Untersuchung wurde die Konstruktion geöffnet. Über dem Türelement war ein Rollladenkasten eingebaut. In dem Kasten waren im Herstellungsjahr 2014 noch keine Montageverstärkungen für den Einbau einer Tür vorgesehen. Das Türsystem sah allerdings vor, dass der obere Querriegel des Blendrahmens mindestens alle 700 Millimeter mit dem Bauwerk fest verbunden werden sollte. Dabei durfte der Abstand zu den seitlichen Begrenzungen maximal 200 Millimeter betragen. Im vorliegenden Fall waren in unregelmäßigen Abständen Schrauben durch den Blendrahmen in das Kastengehäuse eingedreht worden. Allerdings bestand dieses Bauteil vor allem aus einem dünnummantelten Schaumstoffkörper und war somit als Befestigungsgrund nicht geeignet. Da hätte konstruktiv eine andere Lösung entwickelt werden müssen.
Weiterhin wurde entdeckt, dass ein Unterstützungsprofil, zur Stabilisierung zwischen der oberen Stirnseite des mittleren Pfostens und dem Querriegel des Blendrahmens eingesetzt, in der Höhe nicht über den erforderlichen Querschnitt verfügte. Um einen geraden Linienverlauf des Querriegels zu erzeugen, muss dieses Element in vertikaler Richtung exakt den Raum zwischen Pfostenende und unterer Querriegelseite füllen. Das war nicht gegeben.
Denken Sie an die Reibungskräfte
Die vorhandene Durchbiegung des Elementriegels erklärte sich aus den beschriebenen Herstellungs- und Montagefehlern. Die Durchbiegung hatte auch Auswirkungen auf die Bedienkräfte. Der zu kleine Spalt zwischen dem oberen Riegel und dem Blendrahmen hatte zur Folge, dass sich beim Öffnen und Anheben der Tür die Dichtung zwischen Türrahmen und Blendrahmen nicht vom Blendrahmenprofil löste. Beim Verschieben der Tür wirkten erhebliche Reibungskräfte, die höhere Bedienkräfte verursachten.
Es ist Stand der Technik, dass derartige Türen durch erhebliche Eigengewichte einen höheren Kraftaufwand erfordern als zum Beispiel Drehflügeltüren. Abhilfe kann zum Beispiel eine Automatisierung der Elemente schaffen.
Bedienkräfte sind in der Produktnorm DIN EN 14351-1 nicht als mandatierte Eigenschaft ausgewiesen. Ein Verweis auf die Bedienkräfte findet sich im Anhang der Norm. Dort sind neben den mandatierten Eigenschaften weitere spezifische technische Anforderungen aufgelistet, die an solche Elemente gestellt werden können. Für die zulässigen Bedienkräfte wird die DIN EN 12217 genannt. Dieses Regelwerk weist fünf mögliche Klassen aus. Die für das jeweilige Bauvorhaben gewünschte Klasse sollte in der Bauteilspezifikation erklärt sein. Entsprechend der gemessenen Werte, fiel die beanstandete HST-Anlage in die Klasse 0.
Da Bedienkräfte keine mandatierte Eigenschaft dieser Produkte sind, müssen grundsätzlich auch keine Sollwerte eingehalten werden und durch eine Erstprüfung bestätigt sein, um eine allgemeine normenkonforme Leistung erklären zu dürfen.
Aus der Fragestellung war für den Sachverständigen zu klären, welche Personenkreise diese Arten von Türen überhaupt betätigen können. Ist es grundsätzlich möglich, dass Kinder - natürlich altersabhängig - diese Elemente bedienen können?
Um das nötige vorauszusetzende Kraftpotenzial anschaulich zu erklären, kann man sich der DIN 18040-2 zum barrierefreien Bauen im Wohnungsbau bedienen. Im vorliegenden Fall war die DIN 18040-2 allerdings nicht vereinbart und damit auch nicht zu erfüllen. In dieser Norm ist für eine Barrierefreiheit für das Öffnen und Schließen von Türen eine maximale Bedienkraft von 25 Newton (Klasse 3) ausgewiesen. Der festgestellte Durchschnittswert bei den Elementen im Streitfall lag um das Vier- bis Fünffache höher.
Zur Schadensbehebung wurde die HST-Anlage durch ein neues vergleichbares Produkt, allerdings mit Zweifach-Verglasung, ausgetauscht. Die Bedienkräfte des nun eingebauten Elements betragen im Durchschnitt 25 Newton.
Fazit: Denken Sie an die Nutzer
Die Produktnorm für Türen- und Fensterelemente fordert die Herstellung im Rahmen einer WPK. Sie ist vom Hersteller einzurichten und im Detail auf Vollständigkeit zu überprüfen, um Fehler - wie in diesem Fall geschehen - zu vermeiden. Zu erwartende Bedienkräfte von Bauelementen sollten vor Vertragsabschluss zwischen den Parteien besprochen und klar definiert sein. Es muss gewährleistet sein, dass alle Nutzer die Elemente bedienen können.
Wo Sie mehr erfahren
Handwerkerradio: Mehr aktuelle Schadensfälle können Sie im Handwerkerradio (im Internet unter www.handwerker-radio.de) hören. In der Sendung „M&T Metall-produktiv“ werden jeden Dienstag von 14:00 bis 15:00 Uhr und Freitag von 11:00 bis 12:00 Uhr unter anderem interessante Schadensfälle aus dem Metallbau besprochen.
Schadensfälle: Eine Reihe von Schadensfällen zum Thema Bedienungs- und Nutzungssicherheit ist in den Bänden 1 bis 5 „Schäden im Metallbau“ aus dem Coleman-Verlag enthalten. Recherchieren können Sie auch auf der Schadens-Homepage www.schaeden-im-metallbau.de.
Fachregelwerk: Wichtige Informationen zum Thema finden Sie im Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik im Kapitel 2.2 Fenstertüren. Weitere Informationen zu den Büchern und zum Fachregelwerk erhalten Sie beim M&T-Kundenservice, E-Mail: coleman@vuservice.de oder von Mo-Fr von 7:30 bis 17 Uhr per Telefon unter 06123 9238 274.
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Baujahr: 2014
Schadensjahr: 2018