Das „Low-Carbon-ZINQ-Programm“ ist für das Verzinkungsunternehmen ZinQ die Grundlage für die Verbesserung des CO2-Fußabdrucks. Die Entwicklung des sogenannten „ecoZINQ“ ist ein Schritt, der dazu dienen soll, CO2-Emissionen zu verringern. Wie das funktioniert und was es den Kunden bringt, schildert Lars Baumgürtel als geschäftsführender Gesellschafter.
Was ist das Besondere an Ecozinq?
Für Ecozinq erhalten Kunden die derzeit höchsten CO2-Gutschriften in Verbindung mit einer Feuerverzinkung nach DIN ISO 1461. Die Qualität und Funktion entspricht, wie bei Durozinq, vollumfänglich den Anforderungen der geltenden Normen. Das Besondere ist der nochmals deutlich verbesserte ökologische Beitrag. Die positiven Umweltwirkungen weisen wir für jeden nachvollziehbar aus: die Gutschriften wurden im Rahmen einer Umweltproduktdeklaration (EPD) nach EN 15804 erfasst und unabhängig geprüft. Es gibt auch Branchenberechnungen, allerdings erreichen die dort abgebildeten Durchschnittswerte nicht die CO2-Einsparungen von Ecozinq, da diese Oberfläche in puncto Umweltauswirkungen speziell optimiert wurde. Mit unserer EPD können wir den Einfluss unseres Produktes auf die Umwelt genau bemessen und den Product-Carbon-Footprint (PCF) für unsere Kunden konkret nachweisen. So spart jede Tonne Stahl, die mit Ecozinq vor Korrosion geschützt wird, im Vergleich zu hochwertigen Beschichtungssystemen 185 kg CO2 ein. Und diese konkrete Einsparung schreiben wir jedem einzelnen Kunden in Form von Carbon-Credits gut – das schafft maximale Transparenz und Sicherheit. Drittvalidierte Daten sind die verlässliche Grundlage für die Entscheidung für eine nachhaltige Oberfläche auf Stahl und notwendig zur Erfüllung bestehender und kommender Berichtspflichten gegenüber Kunden und Gesetzgeber - im Rahmen des Lieferkettengesetzes und bei der auf EU-Ebene auf den Weg gebrachten Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Lars Baumgürtel und „ZINQ“
Seit mehr als 130 Jahren spezialisiert auf Feuerverzinken und Beschichten von Stahl, verarbeitet das Familienunternehmen „ZINQ“ heute jährlich über 650.000 Tonnen Stahlprodukte in fünf europäischen Ländern. Bei dem Oberflächenspezialisten hat das metallverarbeitende Handwerk ein eigenes Zuhause: die „ZINQ-Manufaktur“. Dort finden Kunden aus dem metallverarbeitenden Bereich neben Oberflächen ein speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Rundum-Sorglos-Paket aus Beratung und Wissensvermittlung, Logistikleistungen wie dem Abholservice „depotmobil“ oder Add-on-Produkte, die das Leben des Metallhandwerkers einfacher machen.
Lars Baumgürtel ist seit 1992 geschäftsführend bei „ZINQ“ tätig, 1998 wurde er geschäftsführender Gesellschafter, seit 2008 ist er alleiniger Gesellschafter des Familienunternehmens in vierter Generation.
Wie wird eigentlich der niedrigere CO2-Fußabdruck nachgewiesen?
Den CO2-Fußabdruck unserer Oberflächen weisen wir in Umweltproduktdeklarationen nach EN 15804 nach, die von dritter Stelle geprüft und validiert werden. Zur Ermittlung des Werts vergleichen wir die niedrigen CO2-Emissionen von Ecozinq über den gesamten Produktlebenszyklus mit den hochwertigsten Farbbeschichtungen, die derzeit erhältlich sind. Die daraus ermittelte Differenz zugunsten der öko-optimierten Zinkoberfläche ergibt die konkrete CO2-Gesamteinsparung, die über den gesamten Lebenszyklus und das effektive Recycling am Ende der Nutzungsdauer erreicht wird.
Wie hängt das mit Ihrem zirkulären Geschäftsmodell zusammen?
Die Tatsache, dass Ecozinq den derzeit niedrigsten CO2-Fußabdruck unter allen Stückverzinkungsoberflächen vorweisen kann, die der Norm DIN 1461 entsprechen, ist ein Resultat von Maßnahmen, die wir im Rahmen unseres zirkulären Geschäftsmodells umsetzen. Denn Grundlage für die Verbesserung des produktbezogenen CO2-Fußabdrucks und die Entwicklung von Ecozinq bildet das „Low-Carbon-ZINQ-Programm“. In dem gesamtheitlich ausgelegten Programm werden seit vielen Jahren für alle Zinq-Oberflächen der Zinq-Gruppe die CO2-Emissionen permanent gesenkt.
Vor mehr als zehn Jahren haben wir unseren Strombedarf komplett auf Ökostrom umgestellt. Zudem haben wir viele Einzelmaßnahmen in unseren Produktionsprozessen umgesetzt – wie effizientere Steuerungstechnik, Einsatz von Wärmerückgewinnungsanlagen und optimiertes Zinkbadmanagement. Mit diesen Maßnahmen konnten wir den PCF unserer Produkte bereits stark verbessern. Und durch den Einsatz von ausschließlich CO2-reduziertem Primärzink aus regenerativen Energien haben wir den CO2- Fußabdruck von Ecozinq nochmals gesenkt - um insgesamt 43% gegenüber herkömmlichen Stückverzinkungsoberflächen.
Was steht in einem digitalen zirkulären Produktpass?
Zirkularität bedeutet, dass Produkte so entwickelt werden, dass am Ende des Lebenszyklus alle eingesetzten Rohstoffe in den Kreislauf zurückgeführt und direkt zur Herstellung von Produkten mit der gleichen zirkulären Qualität eingesetzt werden können. Dabei nehmen digital zirkuläre Produktpässe eine entscheidende Rolle ein. Sie stellen die notwendige Transparenz für Ressourcen- und Klimaschutz her und ermöglichen es Unternehmen entlang ganzer Lieferketten, sich über Innovationen und permanente Verbesserungen zu transformieren.
In einem Produktpass sind daher die für die Bewertung der zirkulären Qualität eines Produktes notwendigen Eigenschaften erfasst. So werden alle negativen und positiven Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus im Sinne eines vollständigen, produktbezogenen Umweltfußabdrucks messbar und transparent.
Im Rahmen unseres zirkulären Geschäftsmodells haben wir auf Grundlage von bereits bestehenden Standards die Eigenschaften unserer Oberflächen bewertet und in eine digitale, zirkuläre Produktpasslogik umgesetzt. Damit haben wir gezeigt, dass eine Nachweisführung für zirkuläre Qualität machbar ist. Doch für die vollständige Dokumentation von Umweltauswirkungen im gesamten Lebenszyklus von Produkten müssen alle mitziehen – und zwar in allen Lieferketten, die ab 2026 von der Einführung von Produktpässen betroffen sind.
Produktpässe werden dann eine entscheidende Grundlage für politische Anreize bilden, um den Kauf langlebiger Produkte mit nachgewiesener zirkulärer Qualität zu unterstützen. So könnte das Instrument des Produktpasses genutzt werden, um die bestehende CO2-Bepreisung und das in der EU eingeführte Handelssystem für Emissionen (EU-ETS) zu erweitern: Wenn Kunden Zertifikate als eine Art Rabatt für den Kauf nachgewiesen zirkulärer Produkte erhielten, würde sich die zirkuläre Transformation zur Klimaneutralität für alle rechnen und bisher externalisierte Kosten im Sinne der Generationengerechtigkeit internalisiert. Dann wäre das Ziel der EU, Nachhaltigkeit wettbewerbsfähig zu machen, erreichbar.
Wie werden dem Kunden die Carbon-Credits gutgeschrieben?
Wir schreiben unseren Kunden die jeweiligen Carbon-Credits auf den Rechnungen gut. Die Carbon-Credits spiegeln damit die CO2-Einsparungen wider, die durch die Entscheidung für Ecozinq als langlebige Oberfläche erzielt werden. Diese könnten in digitale zirkuläre Produktpässe übertragen werden, sobald diese definiert wurden. Carbon-Credits sind daher schon heute die Grundlage für Rückvergütungen – für den Fall, dass künftig CO2-Preise auch für die Berechnung von direkten und indirekten Umweltkosten über den gesamten Lebenszyklus der Produkte herangezogen werden.
Wie ist das neue Angebot preislich im Vergleich zum bisherigen Verzinken einzuordnen?
Mit Ecozinq investieren wir im Interesse der Umwelt in geringere CO2-Emissionen. Wir sehen dies als einen wichtigen Beitrag von uns, um alle unsere Kunden für zirkuläre Qualität zu sensibilisieren. Alle unsere Kunden in Deutschland erhalten daher seit der Einführung des Produktes ihre Stahlprodukte in Ecozinq-Qualität – und zwar so lange, wie unser Vorrat an CO2-reduziertem Primärzink reicht. Im Anschluss daran müssen wir vor dem Hintergrund von Verfügbarkeit und notwendiger Kostenweitergabe entscheiden, zu welchem Preis wir Ecozinq anbieten können.
Was unternehmen Sie, um die Energieversorgung für Zinq sicher zu stellen?
Glücklicherweise haben wir rechtzeitig damit begonnen, uns die erforderlichen Energiemengen vertraglich zu sichern, die wir als Unternehmen benötigen. Das hat uns in der kritischen Phase, als eine Gasmangellage drohte, sehr geholfen. Derzeit sehen wir eine Entspannung bei der Versorgung mit gasförmigen Energieträgern und gleichzeitig eine hohe Dynamik im globalen Markthochlauf für Wasserstoff als kohlenstoff-freien Energieträger. Wir schätzen die mittelfristige Versorgungssicherheit mit gasförmigen Energieträgern, die importiert werden, als sehr viel sicherer ein als die Versorgung mit erneuerbarem Strom.
Unsere langfristige Strategie ist die Substitution von Erdgas durch Wasserstoff, wir befassen uns seit 2016 mit den technischen Voraussetzungen für eine Umstellung. Hier sind wir mit dem Projekt „Power2ZINQ“ schon einen entscheidenden Schritt vorangekommen: in diesem Jahr werden wir die erste Anlage mit wasserstoffreichem Energiegas (60% Wasserstoff) betreiben. Die Herausforderungen bleiben: der schnelle Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und die Versorgung mit grünem Wasserstoff, kostengünstig erzeugt mit Offshore Windanlagen in den windreichen Zonen Nordeuropas. Zinq hat als einzelnes Unternehmen keine ausreichende Bedarfsmenge, die derzeit für alle unsere Standorte eine infrastrukturelle Anbindung rechtfertigen würde – auch wenn diese günstig in der Nähe zu den geplanten Pipelines für grünen Wasserstoff liegen.
In Gelsenkirchen haben wir daher mit 15 weiteren, energieintensiven Unternehmen aus dem Stadthafen die Initiative “Klimahafen Gelsenkirchen“ gegründet, um uns mehr Gehör bei Entscheidern und der Politik zu verschaffen. Und das hat letztlich Erfolg gezeigt: Der Klimahafen wird 2028 voraussichtlich an das Starternetz für Wasserstoff in NRW angebunden.
Das ist aber nur ein Teilerfolg: der energieintensive Mittelstand in Deutschland braucht zur Dekarbonisierung vor allem der Prozesswärmeanwendungen Entscheidungsfreiheit bei der Wahl kohlenstoff-freier Energieträger - neben Strom aus Erneuerbaren eben auch grünen Wasserstoff. Im Kern sollten möglichst viele energieintensive Industrieunternehmen möglichst schnell über einen ausreichenden Strom- und Wasserstoffanschluss verfügen und sich mit ausreichend kohlenstoff-freien Energieträgern zu wettbewerbsfähigen Preisen versorgen können. Aus diesem Grund setze ich mich in weiteren Initiativen sowie im direkten Dialog mit der Politik dafür ein, dass der Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur nicht aus dem Blick gerät.
Welche weiteren Entwicklungen planen Sie in Sachen Nachhaltigkeit?
Zunächst einmal werden wir auf Grundlage unseres zirkulären Geschäftsmodells weiter intensiv an der Dekarbonisierung unserer Prozesse auf dem Weg zur Klimaneutralität arbeiten. Genauso werden wir weiter in die zirkuläre Qualität unserer Produkte und in das Schließen der Stoffkreisläufe investieren, also in die getrennte Wiederverwertung von Zink und Stahl am Nutzungsende feuerverzinkter Stahlbauteile. Auf Grundlage unseres Cradle-to-Cradle-Ansatzes zur Kreislaufführung aller in der Produktion und in unseren Produkten eingesetzten Rohstoffe werden wir sämtliche Umweltauswirkungen in unserer Lieferkette erfassen.
Ziel ist es, gemeinsam mit unseren Lieferanten alle Produkte auf „triple zero“ umzustellen, also „zero carbon“, „zero waste“ und „zero pollution“. Diesen Fortschritt wollen wir transparent und quasi in Echtzeit in unserem digitalen Nachhaltigkeitsbericht offenlegen.
Nachhaltigkeit hat drei Dimensionen. Aktuell arbeiten wir daran, die soziale Komponente der Nachhaltigkeit im Unternehmen weiter zu stärken. Dazu gehört beispielsweise, dass wir eine Mitarbeiterin für betriebliche Sozialarbeit als „Corporate Social Worker“ eingestellt haben. Damit möchten wir die mentale Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intensiver in den Blick nehmen und eine Anlaufstelle im Unternehmen etablieren, um die psychische Resilienz unserer Belegschaft zu erhöhen. Der „AXA-Mental-Health-Report 2023“ zeigt in diesem Bereich besorgniserregende Entwicklungen in weiten Teilen der erwerbstätigen Bevölkerung auf und unterstreicht damit, dass wir mit dieser Entscheidung den richtigen Weg gehen.
Doch dabei allein soll es nicht bleiben: Mittelfristig streben wir beispielsweise regionale Kooperationen zur Stärkung der mentalen Gesundheit in Unternehmen an. Es gibt also eine Menge zu tun, um Nachhaltigkeit in allen Dimensionen und Facetten umzusetzen.