Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung soll positive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und somit auch das Handwerk haben. BVM-Präsident Willi Seiger hat den Vertrag durchgesehen und kommentiert ihn aus Sicht der Berufsorganisation.
Herr Seiger, wo sehen Sie im Koalitionsvertrag gute Ansätze fürs Metallhandwerk?
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit – weg von einer Tageshöchstarbeitszeit hin zu einer Wochenhöchstarbeitszeit – ist ein wichtiger Schritt für das Handwerk. Sowohl in der Fertigung als auch auf Baustellen führt die strikte Begrenzung der Arbeitszeit immer wieder zu Problemen. Positiv sind die Vorhaben zur Stärkung der Schul- und Ausbildung. Eine Gesellschaft im demografischen Wandel kann es sich nicht erlauben, dass mehr als 13 Prozent der jungen Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen. Verstärkte Bemühungen um die Ausbildung junger Leute ist der richtige Weg.
Ein guter Ansatz ist auch die Senkung der Körperschaftsteuer, der Umsetzungszeitraum ist allerdings zu lang, hier müsste eine schnellere Änderung her, um langfristig den Standort Deutschland attraktiv zu halten.
Die Einführung der Aktivrente ist positiv. Sie kann dazu beitragen, das Fachwissen der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Betrieb länger zur Verfügung zu halten. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass die Jüngeren mit höheren Steuern und Abgaben belastet werden. Dies würde zu einer unangemessenen Ungleichbehandlung von Erwerbseinkommen führen. Auch der flexiblere Übergang vom Erwerbsleben in die Rente kann zum Erhalt des Know-hows im Betrieb beitragen und es den Arbeitnehmenden erleichtern, einen gelungenen Übergang in den Ruhestand zu gestalten.
Zur Stabilisierung der Altersversorgung ist dringend auf private Vorsorge zu setzen. Die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge kann dabei ein Baustein sein.
Dringend erforderlich ist die angekündigte Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß für alle. Denn die Energiekosten belasten die Wirtschaft stark.
Angekündigt wird eine Absenkung der Bürokratiekosten innerhalb von vier Jahren um 25 Prozent. Die Politik scheint zum Vertrauensgrundsatz zurückzukehren und statt Nachweispflichten zu stichprobenartiger Kontrolle zurückkehren zu wollen, das begrüßen wir außerordentlich. Wir erwarten einen deutlichen Abbau von Dokumentationspflichten für das Handwerk.
Schließlich soll das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abgeschafft werden, das trotz gegenteiliger Beteuerungen zur deutlichen Belastung auch von KMU geführt hat.
Was fehlt Ihnen inhaltlich im Koalitionsvertrag oder bezüglich seiner zeitlichen Zielsetzung?
Wir brauchen Tempo und sichtbare Maßnahmen, die der Wirtschaft helfen und den Menschen das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik zurückgeben.
Es ist immer wieder von Bürokratieabbau die Rede, ohne dass konkrete Maßnahmen benannt werden, um dieses Ziel umzusetzen. Das produzierende Handwerk leidet unter den – auch im internationalen Vergleich – sehr hohen Energiekosten. Hier müssen kurzfristig Lösungen gefunden werden. Im Koalitionsvertrag finden sich zu viele Leerstellen zu wichtigen Themen. So fehlen uns verbindliche Angaben zur Stabilisierung der Sozialabgaben, die Arbeitgeber und Arbeitnehmende gleichermaßen belasten. Das Ziel, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei unter 40 Prozent zu stabilisieren, wird nicht genannt. Es fehlen nachhaltige und generationengerechte Reformen, die die Beitragssätze in allen Zweigen der Sozialversicherungen dauerhaft stabil halten, wenn nicht senken.
Steuererhöhungen werden im Koalitionsvertrag nicht explizit ausgeschlossen. Und das, obwohl Deutschland bereits ein sehr hohes Niveau an Steueraufkommen hat. Im internationalen Vergleich sind sowohl die Belastung der Kapitalgesellschaften durch die Steuerlast wie auch die Belastung des Faktors Arbeit durch Steuern und Sozialabgaben sehr hoch.
Zur Fachkräftesicherung fehlen uns konkrete Angaben. Die fehlende Willkommenskultur von Fachkräften wird zudem nicht dazu beitragen, dass Fachkräfte aus dem Ausland, die das Handwerk dringend benötigt, einwandern werden.
Welche der geplanten Aktivitäten halten Sie aus Sicht des Metallhandwerks für weniger zielführend?
Die geplanten Sonderabschreibungen werden bereits notleidenden Unternehmen nicht weiterhelfen. Sonderabschreibungen helfen nicht weiter, wenn wegen ständig steigender Kosten kein Ertrag mehr generiert werden kann. Die neue Regierungskoalition sieht eine degressive Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 Prozent in den Jahren 2025, 2026 und 2027 vor. Das soll Handwerksbetriebe zu Investitionen anregen. In den aktuell herausfordernden Zeiten reicht das jedoch nicht, sondern es braucht eine konsequente Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Immerhin sind die angekündigten Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung wichtige Grundlagen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Entscheidend wird jetzt die konkrete Umsetzung der Pläne von CDU und SPD sein. Leider sind im Vertrag Steuererhöhungen nicht explizit ausgeschlossen, und der Solidaritätszuschlag soll beibehalten werden.
Weil der Mindesthebesatz angehoben wird, ist damit zu rechnen, dass nicht nur vereinzelt auch die jetzt schon darüber liegenden Hebesätze der Kommunen angehoben werden, was zur weiteren steuerlichen Belastung der Betriebe führt.
Die anhaltende Diskussion über den gesetzlichen Mindestlohn ist nicht zielführend. Die Festlegung durch den Gesetzgeber greift in die Tarifautonomie der Sozialpartner ein und missachtet die gesetzlich geschützte Autonomie der Mindestlohnkommission.